: Kabinettstücke sozialistischer Kultur
■ Rostocker Kulturbürokratie weiß nicht, wie es weitergehen soll
Rostocker Kultur: Im Moment nicht gefragt Foto: Wolfram Steinberg Wenn heute in Rostock auf Initiative einer Bürgerinitiative tausende von Bremern einen Eindruck vom kulturellen Leben der Stadt bekommen, dann kann eine darüber gar keine rechte Freude empfinden. Catharina Winkelmann heißt die Mitfünfzigerin, seit 20 Jahren im Rostocker „Stadtkabinett für Kulturarbeit“ und jetzt in diesen revolutionären Wendezeiten ohne rechte Orientierung. „Man muß Vieles neu machen“, sagt sie,„aber man darf Gutes nicht aufgeben.“ Aber was da gut war und was wie neu werden soll, daß weiß sie nicht genau. Mitte dieser Woche war Catharina Winkelmann mit einer Delegation aus Rostock für zwei Tage in Bremen, traf sich mit hiesigen Kulturfunktionären und KulturmacherInnen und hatte angesichts ihrer Ratlosigkeit eine Bitte: „Über Anregungen würde ich mich freuen.“ Doch die BremerInnen waren vor allem an der Vermittlung von Kontakten und Auftrittsmöglichkeiten interessiert.
Das Rostocker Kulturkabinett ist ein Musterbeispiel dafür, wie in der DDR Kultur verwaltet wurde. Als eine von insgesamt elf Unterabteilungen des städtischen Kulturamtes waren Frau Winkelmann und ihre sieben KollegInnen zuständig für den Bereich „Freizeitschaffende in Sachen Kunst und Kultur.“ Zuständig im doppelten Sinne: Zum einen als fördernde Instituition, die Fortbildung in verschiedenen Bereichen anbietet, zum anderen als kontrollierende Behörde, die mitentscheidet, wer, wann und zu welchen Bedingungen auftreten darf. So war das Kulurkabinett zuständig für die Einstufungen, denen sich alle Gruppen, die öffentlich auftreten wollten, unterziehen mußten. Eine Jury legte dann für zwei Jahre fest, welchen Gütestempel eine Tanzcombo, ein Kabarett oder eine Rockband erhielt. Mit dieser Klassifizierung waren dann sowohl die Auftritts-als auch Verdienstmöglichkeiten festgelegt. Eine klassische Behörde für Gängelei also. Doch obwohl Catharina Winkelmann gerade noch davon sprach, daß die „Förderung beibehalten und die Gängelei gelassen werden soll“, so ganz gelöst hat sie sich innerlich noch nicht davon. „Das System der Einstufungen war gar nicht so schlecht“, sagt sie. Dadurch habe man auch die Möglichkeit gehabt, zum Beispiel Amateurkapellen zu einer gezielten Fortbildung zu raten. Und davon gibt es, sagt sie, immerhin 60 im Rostocker Raum.
Seit der „sagen Sie ruhig Wende“ (Winkelmann) hat das Kulturkabinett nicht mehr so recht zu tun. Wie überhaupt das gesamte Kulturleben in Rostock seit dem November ziemlich zum erliegen gekommen ist. „Es kommt auch wieder die Zeit, wo die Euphorie vorbei ist, und die Leute wieder von uns Hilfe wollen“, meint sie. Doch so sicher ist das nicht. Unter den Kollegen wird heftig diskutiert, ob es soviel staatliche Kulturbürokratie überhaupt braucht. Gespräche mit den Oppositionsgruppen sind dagegen Mangelware. Die haben im Moment noch erheblich andere Sorgen und viel zuwenig Zeit, um sich intensive Gedanken über eine Entsstaatlichung der Kulturpolitik zu machen. Genau davor hat Kulturfunktionärin Winkelmann Angst, Existenzangst: „Es ist ein sehr unangenehmes Gefühl, wenn man nicht weiß, was wird.“
Größere Projekte mit Tradition, an denen das Kulturkabinett mitgewirkt hat, stehen vor dem Aus, so zum Beispiel das Rostocker Kinderliedfest und die Sommerfest-Tage. „Früher hat die Tatsache, daß es Auflagen gab, alle an einen Tisch geholt“, meint Winkelmann. Jetzt ist dieser Zwang weg und etwas Neues nicht in Sicht. Und daß da vielleicht im Verborgenen blühende Kulturplanzen, ganz ungeprüft und kontrolliert aus dem Boden sprießen? Winkelmann verzieht skeptisch das Gesicht.
Doch selbst wenn etwas entsteht, ist es der Kulturfunktionärin nicht recht. Das Rostock-Bremen-Fest zum Beispiel. Da hat einer unbedarft draus losgeplant, ohne zu fragen. Nun gut, das Kulturkabinett will jetzt helfend einspringen, aber wenn alles vorbei ist, dann sollen deutliche Worte gesagt werden. Winkelmann: „Es gibt schließlich Zuständigkeiten.“
hbk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen