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Neue Töne in Südafrikas Fernsehen

An Diskussionen nimmt neuerdings auch die Opposition teil / Südafrika steht vor einer Wende / Die Weißen sind verunsichert / Mandelas baldige Freilassung wird erwartet / Regierung reagiert, statt zu regieren / De Klerk will Veto für Weiße / Verhandlungen werden schwierig  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Südafrikas Fernsehzuschauer kommen in letzter Zeit aus dem Staunen nicht heraus. Da bietet „Network“, das tägliche Nachrichtenmagazin, auf dem Höhepunkt der Kontroverse über die Krise in den überfüllten Schulen für Schwarze eine Live -Diskussion zu dem Thema an. Im Studio sitzen jedoch nicht, wie gewohnt, der zuständige weiße Minister, ein weißer burischer Professor als Experte und ein weißer Beamter aus dem Bildungsministerium - da diskutiert der Minister mit einem kritischen schwarzen Chefredakteur und einem oppositionellen schwarzen Bildungsexperten. Der Minister gibt dabei gar kein gutes Bild ab.

Kurz darauf, am Vorabend der Ankunft einer britischen Cricketmannschaft, die sich allen öffentlichen Protesten und ihrem Verband widersetzt, um in der Republik Südafrika zu spielen, findet eine Live-Diskussion zum Sportboykott statt. Da diskutiert der Präsident des südafrikanischen Cricketverbandes mit - live aus London - Peter Hain, dem Organisator der Proteste. Hain ist für weiße Südafrikaner der Teufel in Menschengestalt - er gilt als einer der schlimmsten „Feinde Südafrikas“. Und der kommt im Staatsfernsehen unzensiert zu Wort!

„Network“, das war noch vor wenigen Wochen wie die „Aktuelle Kamera“ vor dem 9. November - man schaltete die Sendung ein, um Nuancen in der Berichterstattung zu beobachten, um zu sehen, wie die Machthabenden das Land darstellen wollten, wie im einzelnen die Realität im Fernsehen entstellt wurde. „Live-Diskussionen“ wurden im voraus aufgezeichnet, waren langweilige Darstellungen offizieller Positionen.

Doch die jahrelang festgefahrene Situation in Südafrika ist in Bewegung gekommen. Die Möglichkeit, fast die Wahrscheinlichkeit, daß es zu substantiellen Verhandlungen zwischen der Regierung und der Opposition kommen wird, hat die gesamte politische Landschaft verändert. Das Fernsehen sieht sich jetzt genötigt, Diskussionen zuzulassen, den jahrelang unterdrückten, totgeschwiegenen Meinungen der Opposition Platz zu geben, um dem weißen Wahlvolk einen Vorgeschmack auf die bevorstehenden politischen Verhandlungen zu geben.

Neue Zeiten brechen an

Es ist klar, daß die nächsten Monate für Südafrika von entscheidender Bedeutung sein werden. Im Augenblick richten sich aller Augen auf Lusaka, die Hauptstadt Sambias. Dort findet an diesem Wochenende eines der wichtigsten Treffen des in Südafrika noch immer verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) statt. Walter Sisulu, der im Oktober nach 26jähriger Haft freigelassene ehemalige ANC -Generalsekretär, ist mit sechs Kollegen und Vertretern oppositioneller Gewerkschaften und Anti-Apartheidgruppen aus Südafrika zu Besuch im ANC-Hauptquartier.

Der ANC hat wichtige Fragen zu besprechen. Wie soll er sich in Verhandlungen mit der weißen Regierung verhalten? Welche Rolle spielen jetzt internationaler Druck und der bewaffnete Kampf gegen die Apartheid? Und wie sollen die freigelassenen Führer und Nelson Mandela, dessen Freilassung in Kürze erwartet wird, in den ANC integriert werden? Wenn das Verbot des ANC aufgehoben werden sollte - auch das wird erwartet soll die Organisation ihre Untergrundstrukturen dennoch aufrechterhalten?

Zudem ist der ANC-Präsident Oliver Tambo in diesen entscheidenden Monaten nicht einsatzfähig. Nach einem Schlaganfall im August wird er noch immer in einer Spezialklinik in Schweden behandelt. Der ANC muß einen Nachfolger für Tambo finden.

Endgültige Entscheidungen wird das Treffen am Wochenende wahrscheinlich nicht fällen. Das wird die „Nationalkonferenz“ des ANC im Juni tun. Bis dann wird sich einiges geklärt haben, und als oberstes Entscheidungsgremium des ANC wird die Konferenz, die nur alle fünf Jahre zusammentritt, eine grundsätzliche, richtungsweisende Programmdiskussion führen können.

Kontakte zwischen Regierung und ANC laufen schon seit einigen Monaten über Mandela als Verbindungsmann. ANC -Generalsekretär Alfred Nzo sagte am Donnerstag, daß er regelmässig mit Mandela Kontakt habe. Auch Peter Mokaba, Führer des militanten oppositionellen Jugendkongresses SAYCO, versicherte: „Er ist ein Vermittler, der die Positionen des ANC der Regierung deutlich macht.“

Die Regierung, da sind sich alle Beobachter einig, hat allerdings keine zusammenhängende Politik, die sie dem ANC gegenüberstellen kann. Niemand weiß genau, wo die derzeitigen Entwicklungen enden werden. Und die Weißen sind verunsichert.

„Die Regierung reagiert auf Ereignisse, statt sie zu leiten“, schreibt die regierungsnahe Johannesburger Tageszeitung 'The Citizen‘ am Freitag in einem Leitartikel. Der Artikel führt eine lange Liste von Reformschritten De Klerks auf, die dem Präsidenten der Zeitung zufolge von der Opposition aufgezwungen wurden - von der Abschaffung der Rassentrennung an Stränden über die Zulassung friedlicher Demonstrationen bis zur Freilassung Sisulus. „Die Regierung muß anfangen, die Dinge, die sie ohnehin wird tun müssen, im voraus zu planen, so daß sie die Initiative ergreifen kann“, sagt die Zeitung. „Sie kann es sich nicht leisten, einfach auf Ereignisse zu reagieren.“

Tatsächlich kann De Klerks Flexibilität vor allem auf die zunehmenden Auswirkungen internationalen Drucks zurückgeführt werden. Wirtschaftlich geht es Südafrika inzwischen so schlecht, daß auch die wohlhabenden Weißen ihren Lebensstil ändern müssen. Und um hohe Auslandsschulden zurückzahlen zu können, wird die Bevölkerung den Gürtel in diesem Jahr noch enger schnallen müssen.

Es wird erwartet, daß De Klerk zur Eröffnung des Parlaments am 2. Februar neue Maßnahmen ankündigen wird, darunter die Freilassung Mandelas. Das kann die Aufnahme von Verhandlungen nur näherbringen. Doch in ihren Positionen klaffen ANC und Regierung noch weit auseinander. De Klerk besteht nach wie vor darauf, daß in einem neuen Südafrika „keine Gruppe eine andere beherrschen kann“ - daß die Weißen also ein Veto haben und damit eine schwarze Mehrheitsregierung ausgeschlossen ist.

Für die Opposition, die eine einheitliche Demokratie nach dem Motto „Ein Mensch - eine Stimme“ fordert, ist das nicht akzeptabel. Auch wenn es also zu Verhandlungen kommt, werden sie zäh und schwierig, oft sicher auch bitter und hitzig sein. Aber bis dann wird das Fernsehen die Bevölkerung vielleicht an solche Diskussionen gewöhnt haben.

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