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Porträt eines gebrochenen Lebens

 ■ V O R L A U F

(Moskau Shalom, 21 Uhr, Pro 7) Moskau 1971. Die Wissenschaftlerin Ida Nudel (Liv Ullmann) ist Mitglied einer verbotenen jüdischen Dissidentengruppe. Wegen der erbarmungslosen religiösen Unterdrückung beantragt sie mit ihrer Schwester Elena die Ausreise. Sofort wird ihr ihre Stellung gekündigt. Langjährige Kollegen hüllen sich in vielsagendes Schweigen. Die hoch qualifizierte Astronomin muß sich fortan als Putzfrau verdingen.

Im Sommer bekommt Elena die Ausreise bewilligt. Mit ihrem Freund Juli, der nach mehreren Jahren aus einem sibirischen Straflager zurückgekehrt ist, bleibt Ida zurück. Die Kontaktaufnahme mit dem psychisch gebrochenen, ausgebrannten Mann erweist sich als schwierig und langwierig. Gemeinsam stellen sie einen weiteren Ausreiseantrag und schöpfen neue Hoffnung. Die Schikane der Isolation wiederholt sich. Um Juli nicht zurückzuhalten, verbirgt Ida ihr Schicksal, um im letzten Moment den Zug zu verlassen, der nur für ihren Freund die Freiheit bedeutet.

Jahre vergehen. Als Juli eines Tages brieflich mitteilt, er habe geheiratet, kommt es zur Kurzschlußreaktion. Auf dem Balkon ihrer Wohnung provoziert Ida mit einem Transparent und schreit ihre ganze Verzweiflung der sich auf der Straße stumm versammelnden Menge entgegen. Eine Szene, die tief unter die Haut geht und in ihrer Vehemenz nur von einer Liv Ullmann vor melodramatischen Überhängen bewahrt werden kann.

Wegen Hochverrats wird sie zu vier Jahren Straflager in Sibirien verurteilt, wo sie gedemütigt, als Prostituierte behandelt und vergewaltigt wird. Als Näherin arbeitet sie nach ihrer Entlassung in einem abgelegenen Dorf. Ein englischer Journalist findet sie und schreibt ihre Geschichte auf.

Wie viele seiner neorealistischen Kollegen studierte der '23 geborene Regisseur Mauro Bolognini zunächst Architektur, um zum Centro Sperimentale Cinematografico zu wechseln, einer einschlägigen Talentschmiede, aus der unter anderem Antonioni und De Santis hervorgingen. Aus seiner Zusammenarbeit mit Schriftstellern (Pasolini schrieb drei Drehbücher für ihn) resultiert sein Interesse an vielschichtiger, differenzierter Zeichnung von Charakteren, was sich auch in Moskau Shalom von 1987 zeigt.

Im Gegensatz zu Antonioni oder Bertolucci, die den zum Genre erstarrten Neorealismus Anfang der Sechziger weiterentwickelten, beschwören Altgardisten wie der hierzulande vollkommen unbekannte Bolognini nach wie vor den neorealistischen Mythos. Moskau Shalom ist ein entsprechend unzeitgemäßer Film, der programmatisch und minutiös persönliche Tragik in den Vordergrund stellt, handwerklich jedoch solide inszeniert ist, über 135 Minuten fesselt und nie in Kitsch oder Melodramatik abgleitet.

Manfred Riepe

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