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Die CDU-West streitet über die CDU-Ost

■ Nach der Entscheidung des Ostberliner CDU-Präsidiums, in der Regierung Modrow zu bleiben, ist bei den Bonner Christdemokraten Streit ausgebrochen / Generalssekretär Rühe will Distanzierung, Berlins CDU-Chef Diepgen und Chefvertreter Geißler aber weiter Unterstützung

Berlin (ap) - Nach der Entscheidung der DDR-CDU, in der Regierung von Ministerpräsident Hans Modrow zu verbleiben, ist in der Bonner Union ein offener Streit über die weitere Zusammenarbeit mit der DDR-Partei entbrannt. CDU -Generalsekretär Volker Rühe und der CSU-Vorsitzende Theo Waigel rückten in scharfer Form davon ab, während der stellvertretende Parteichef Heiner Geißler und der Westberliner CDU-Vorsitzende Eberhard Diepgen an einer weiteren Unterstützung festhalten wollen.

Auch in der DDR geht der Streit um den politischen Kurs der CDU trotz der Entscheidung des Parteipräsidiums weiter, die beiden Minister der Partei nicht aus der Koalitionsregierung abzuziehen. Generalsekretär Martin Kirchner, der am entschiedensten für einen Bruch mit der Regierung Modrow plädiert hatte, schloß seinen Parteiaustritt nicht aus, wenn es bei dem Beschluß bleiben sollte. Der am Samstag auf einem Parteitag in Weimar in Anwesenheit des hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann gegründete Landesverband Thüringen stellte sich ebenfalls gegen den Vorstandsbeschluß und forderte, die Regierung Modrow zu verlassen.

Der Bonner CDU-Generalsekretär Rühe erklärte am Freitag abend, mit dem Beschluß des Parteivorstands habe sich die CDU „ins politische Abseits manövriert“. Der Unionspolitiker wich Fragen nach einer politischen Zusammenarbeit mit einer Partei in der DDR aus und verwies auf den Leipziger Kongreß über einen Zusammenschluß von christlichen und konservativen Parteien in der DDR.

Auch am ersten Landesparteitag des Demokratischen Aufbruchs Thüringen in Erfurt nahmen am Samstag westliche Politiker aus dem Lager der Bonner Koalitionsparteien teil, darunter der hessische Innenminister Gottfried Milde (CDU) und der FDP-Fraktionschef im Wiesbadener Landtag, Otto Wilke. Als Wahlkampfpartner in der Bundesrepublik sieht die landesweit von Rechtsanwalt Schnur geführte Partei nach einer 'adn' -Meldung „die bestehende Koalitionsregierung unter Führung der CDU“ an.

Das Präsidium der DDR-CDU hatte am Freitag abend beschlossen, ihre beiden Minister nicht aus der Regierung abzuziehen. Das Führungsgremium fällte die Entscheidung nach fast vierstündiger Diskussion mit „sehr großer Mehrheit“, wie der Vorsitzende und stellvertretende Ministerpräsident Lothar de Maiziere mitteilte. De Maiziere räumte ein, daß der für einen Wechsel in die Opposition plädierende Generalsekretär Kirchner in den letzten Tagen und Wochen mehrfach Kontakt mit Politikern der Bonner Unionspartei hatte. De Maiziere sprach seinem Generalsekretär aber ausdrücklich das Vertrauen aus. Er räumte auch ein, daß die Partei bei einem Rückzug aus der Regierung mit großzügiger finanzieller Unterstützung der bundesdeutschen CDU hätte rechnen können. Die Entscheidung habe aber nur „vor Ort“ getroffen werden können.

Volker Rühe, der die Mehrheitsentscheidung der Ostberliner CDU sichtlich verärgert aufnahm, lobte ausdrücklich Kirchner, der sich bereits für Reformen eingesetzt habe, „als es noch gefährlich war“. Auf die Frage nach einer von der Bonner CDU möglicherweise angestrebten finanziellen Abhängigkeit der DDR-CDU antwortete der Politiker, das Problem sei vielmehr die Abhängigkeit dieser Partei von der SED in den letzten 40 Jahren.

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Geißler vertrat dagegen die Ansicht, die Entscheidung der CDU müsse nicht das letzte Wort sein: „Man muß der CDU in der DDR auch das Recht auf Läuterung zugestehen. Sie hat die Chance der Erneuerung schon erheblich genutzt.“ Es führe kein Weg daran vorbei, „daß wir mit der CDU in der DDR zusammenarbeiten“.

Der Berliner CDU-Vorsitzende Eberhard Diepgen warnte vor „öffentlichen Zensuren“. Diepgen erklärte: „Wer die Verhältnisse kennt, weiß, daß die Ost-CDU ihre Verantwortung darin sieht, geordnete, freie und chancengleiche Wahlen am 6. Mai sicherzustellen und dafür zu sorgen, daß die Wirtschaft in der DDR nicht zusammenbricht.“

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