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„Kunst macht die Völker näher“

■ In Bremen: „MIMIKRITSCHI“ und „BIM-BOM“ - zwei sowjetische Showgruppen über sich und ihr Programm

Sowjetische Künstler sind in, das macht aber nichts. Sie wirken eben wie die zweibeinige Perestroika, die erst dann wirklich zu werden scheint, wenn sie dir so auf einmal gegenübersitzt. Und wenn sie dir gegenübersitzt, dann das: Wir verstehen uns nicht. Daß ich daran nicht gedacht hatte! Also muß ich mitansehen, was Vladimir Krjukov, Irina Fokina und Igor Tschernov mir sagen wollen. Oleg Chernawkin übersetzt.

Da hilft zuerst auch gar nicht, daß die kleine Interview -Delegation zum Teil der Gruppe „Mimikritschi“ entstammt, was übersetzt „reiche Mimik“ heißt. Ihr Mienenspiel läßt sich gerade mal mit höflich-interessiert interpretieren. Oder auch mit erschöpft. Kein Wunder, denke ich, bei dem Streß. Die beiden sowjetischen

Gruppen „Mimikritschi“ und „BIM-BOM“ sind schließlich seit Ende November ununterbrochen auf Tournee in der BRD. Seit

heute in Bremen.

Wir sitzen im Schlachthof, im Büro, da kommt Neontisch -Gemütlichkeit auf. Also Anlauf neh

men zum Fragen: Seid ihr müde? Ja, ein bißchen sind sie müde, übersetzt müde Oleg. Und wer ist wer? Also das ist Vladimir, Gruppenleiter von der Clownsgruppe Mimikritschi, das sind die beiden Künstler aus der Musik-Tanz-und Parodiegruppe „BIM-BOM“: Irina und Igor. Könnt ihr vielleicht mal eure Kunst beschreiben? Vladimir beginnt, da lachen plötzlich alle. Außer mir. Das ist irgendwie komisch, als hätte ich einen Witz nicht verstanden. Oleg übersetzt: Vladimir habe gesagt, daß es für ihn auch sehr interessant zu wissen sei, was die Künstler über ihre Kunst denken.

Es ist so: „Wir wollen etwas Schwieriges verändern in etwas Leichtes und Fröhliches.“ Auf jeden Fall unterhaltend, ohne die negativen Seiten des Lebens auszublenden. Wie geht das? Mit viel Arbeit. Mit Tanz, Clowns, Musik, Parodie, Gesang. Und was für Nummern haben sie im Programm? Für die Parodien nehmen sie z.B. russische Volksmusik, singen dazu amerikanische Schlager und entdecken plötzlich, daß es die gleiche Musik ist. Was für Erfahrungen gibt es mit dem deutschen Publikum? Ein schönes Publikum, eine schöne Atmosphäre. Sogar Oleg muß da lachen.

Und da kommt sie, die unweigerliche Frage: Was hat Glasnost zu dem Gastspiel beigetragen? Vladimir: „Daß die beiden Gruppen hier zusammen auftreten, ist schon ein Ereignis von Perestroika.“ Wie kam das Ereignis zustande? Das war fast vor einem Jahr, da kam Corny Littmann vom Theater „Schmidt“ aus Hamburg nach Moskau, hat viele Gruppen angekuckt und nur zwei für BRD-tauglich befunden, eben Mimitschkri und BIM -BOM.

Glauben sie, daß Kunst verändern kann? Igor erzählt ein Beispiel. Neulich waren sie in Baku, der Hauptstadt von Aserbeidschan, wo zur Zeit Unruhen herrschen, und da gab es diese

Amerika-Nummer: „Aggressive Leute haben plötzlich die Elektrizität ausgeschaltet, trotzdem haben wir ohne Mikrofon weitergesungen, und die Zuschauer haben mitgesungen. In der Kunst ist es eben wie überall: die Klugen lachen, und die Dummen sind sauer.“ Wie fühlen sie sich bei Interviews, diesen „Fast-Food-Begegnungen“ mit Auskunft? Da wird Igor erst schrecklich charmant und findet dann „Fragen mittlerweile normal“. Außerdem seien wir gut im Atmosphäre -schaffen: „die Deutschen sind kontaktiv“, nicht so zugeknöpft, meint Oleg, wie die Leute in der Sowjetunion.

Vladimir will noch etwas sagen: „Die Kunst hat mehr bewegt als die Politiker. Kunst macht die Völker näher. Das ist fast eine Harmonie.“ Wie ist denn die Zusammenarbeit der beiden Gruppen, die zu Hause nur selten gemeinsam auftreten? Passen sie überhaupt zusammen? Pause, kurz: „Gottseidank ja!“ Lautes lachen. Vielleicht wie eine Welle, immer sei etwas in Bewegung. „Die Künstler sind ganz jung, und sie suchen nach etwas Neuem, nicht nach einem Vorbild.“ Wirklich gar kein Vorbild? Na gut: die Stadtmusikanten in Bremen. Wie bitte? „Das war natürlich ein Clownsscherz.“ Trotzdem „waren diese Stadtmusiker eine Mannschaft wie unsere, eine fröhliche, mit viel Abenteuer.“

Was ist ein Abenteuer? Vor Gorbi auftreten? Es gab einen Versuch, die BIM-BOM-Gruppe vor Gorbi zu zeigen, aber zur Vorstellung ist er dann doch nicht gekommen. Claudia Kohlhas

Vom 23.-3.2. im Schlachthof, 20 Uhr, außer 1.2.

Die ersten 20, die „Ohne Flei... kein Prei...“ am Telefon sinngemäß ergänzen können, erhalten von der Taz -Kulturredaktion 20 mal 2 Karten. Tel.: 71096

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