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Streik und Bierboykott schon 1911

■ Geschichtsgruppe bei Beck rekonstruierte Kampf um die Arbeitszeitverkürzung

„Arbeitswillige, welche gesonnen sind, zu obigen Sätzen Arbeit anzunehmen, werden ersucht, sich in den Brauereien und in unserm Büro, Am Deich 66,1. zu melden. Einheimische Arbeiter werden bevorzugt.“ Im Oktober 1911 suchten die Bremer Bierbrauer über die Tagespresse händeringend nach Arbeitskräften. Der Grund: Die Tarifverhandlungen um den 9 -Stunden Tag und Lohnerhöhung waren gescheitert, die Stammbelegschaft in den Streik getreten.

Daß dieses spannende Kapitel um die Arbeitszeitverkürzung wieder zugänglich geworden ist, verdanken die BremerInnen der Betriebsgeschichtsgruppe bei der Brauerei Beck. In mühevoller Kleinarbeit sind die vier Mitglieder einem versteckten Hinweis in der „offiziellen“ Betriebsgeschichte nachgegangen und haben aus Archiven und alten Zeitungen zusammengetragen, was jetzt in einer Broschüre nachzulesen ist.

Zum Beispiel, daß die Unternehmer über den Neustadt-Bahnhof waggonweise „Streikbrecher“ nach Bremen brachte, die mitunter nichts von der Lage in den Bremer Brauereien wußten. Unter Polizeischutz wurden sie zu ihrem Arbeitsplatz geführt. Die BremerInnen standen Spalier und drohten mit tätlichen Angriffen, die Streikbrecher waren mit Knüppeln bewehrt. Der Bremer Unternehmerverband der Brauereibesitzer bedankte sich später mit zwei Schecks bei der Bremer Polizei für die Aufrechterhaltung

von Ruhe und Ordnung.

Die ArbeiterInnen schlagen zurück. Kein Kutscher, der eine der zahlreichen Brauereien mit Faß-oder Flaschenbier verläßt, wird seine Ladung ordnungsgemäß abliefern können: Unterwegs werden Kisten und Fässer von den Fuhrwerken gerissen, öffentlich wird zum Bierboykott aufgerufen: Wer Bier aus indizierten Brauereien ausschenkt oder kauft, wird in Arbeiterorganen öffentlicht angeprangert. Schließlich brechen Produktion und Auslieferung zusammen, in

den Betrieben kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen innerhalb der importierten Belegschaft. Nach gut einer Woche endet der Streik mit einem Tarifkompromiß: Neuneinhalb Stunden (statt bisher zehn) Arbeitszeit und vor Weihnachten um vier Uhr Feierabend ohne Lohnabzug.

Manfred Heinrichs von der Geschichtsgruppe: „Für uns ist Geschichte von unten in erster Linie Geschichte, die die Kollegen zu Wort kommen läßt.“ Seit 1986 treffen sich die Amateurhistori

ker nach Feierabend. Ihr Archiv steht in den Räumen des Betriebsrates. „Wir hatten schon eine Ausstellung in der Kantine bei Beck's, haben von daher einige Resonanz aus der Belegschaft und treten auch mit Ehemaligen in Kontakt, deren Wissen wir in Tonbandprotokollen speichern.“ ma

Die Broschüre „Streik und Boykott“ kostet 10 Mark und ist bei der NGG, beim Bildungssenator und bei Manfred Heinrichs, Erichshofer Heide 58, 2803 Weyhe erhältlich.

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