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„London is calling“

■ Wenn Mädchen Videos selber machen / Zu Besuch in der Medienwerkstatt für interkulturelle Medienarbeit in der Crellestraße

Für Freitag, 16 Uhr 30, ist der letzte Schnittermin in der Medienwerkstatt in der Crellestraße angesetzt. An diesem Tag soll das Video der zwölf Mädchen, die aus verschiedenen Jugendwohngemeinschaften kommen, fertig werden. Im letzten Herbst waren sie mit ihren zwei 'Sozis‘ fünf Tage in London. „Darüber einen Film zu drehen haben unsere Betreuerinnen vorgeschlagen“, erzählt die 20jährige Mirica.

Auf dem Flur der Werkstatt für interkulturelle Medienarbeit (WIM) versammelt sich die Mädchen-Gruppe mit ihrer Betreuerin. Sie müssen noch eine ganze Weile warten, da der Schnittraum noch belegt ist. Eine andere Gruppe arbeitet noch an einer aktuellen Produktion, die um 18 Uhr auf einer Veranstaltung gezeigt werden soll. Die Betreuerin Brigitte versucht, die Mädchen bei Laune zu halten. Tanja hat Hunger, Mirica ist es kalt, also geht Brigitte erst mal Kekse kaufen.

Kurz nach sechs gehts dann endlich los. Zwei der Mädchen setzen sich an den Schneidetisch. Elke Hollmann, Mitarbeiterin der WIM, erklärt: Durch Knopfdruck werden Anfang und Ende einer ausgesuchten Szene dem Computer mitgeteilt. Doch bevor dieser Ausschnitt auf die endgültige Videokassette überspielt werden kann, muß hier der Film um fünf Bilder zurückgespult werden, dann sind nur noch zwei Startknöpfe zu drücken, und die Szene wird per Computer kopiert. Die Mädchen wechseln sich ab, damit jede einmal die Technik ausprobieren kann.

Das Video beginnt mit einem großen London-Schild, das ein Mädchen tanzend vor die Kamera hält. Die Gruppe bei der Zugfahrt, auf der Rolltreppe, in der U-Bahn, auf dem Flohmarkt beim Hüte anprobieren usw. Von London selbst ist nicht viel übrig geblieben. „Häuser sind uninteressant“, meint Mirica. Sie wollten keinen Dokumentarfilm über die Stadt drehen, sondern sich selbst in London sehen. „Wir haben die Musik selber ausgesucht und nach dem Takt geschnitten“, berichtet Mirica.

Etwas chaotisch geht es bei diesem Schnittermin schon zu. „Was wollten wir eigentlich als nächstes für eine Szene nehmen?“ fragt Mirica. Der Drehplan wird gesucht, und nach einiger Zeit hat Elke Hollmann die Aufzeichnungen wiedergefunden. Es kann also losgehen. Irgendwas stimmt mit der Reihenfolge nicht. Die falsche Kassette war eingelegt. Außerdem fehlt Musik, daran hat keine gedacht. Tanja telefoniert mit einem Freund, der dann ein paar Kassetten vorbeibringt.

Die einzelnen Szenen werden ausgesucht. Elke Hollmann gibt Tips, wo es am besten ist zu schneiden. Die Mädchen können sich nur schlecht von ihren Bildern trennen. „Das muß rein, da sehen die beiden so toll aus“, meint Tanja. Zu sehen sind zwei für Halloween geschminkte Mädchenköpfe. „Das kann weg, an dem Tag war ich sowieso nicht mit dabei“, erläutert Mirica ihre Entscheidung. Die Einwände von Elke Hollmann und der Betreuerin, das Video würde zu lang und damit langweilig, wollen die Mädchen nicht einsehen.

Nat sitzt mit Kopfhörern ausgerüstet vor dem Kassettenrecorder und sucht noch den letzten Musiktitel aus: 'London is calling‘ von Clash. Die anderen sind einverstanden. „So weiß man wenigstens, wo das gedreht ist.“

Britta Helmbold

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