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Seit‘ an Seit‘ - 's ist Wahlkampfzeit

■ SPD-Parteivorstände aus West- und Ost-Berlin tagten gestern zum ersten Mal seit 28 Jahren wieder gemeinsam / Eine Kommission, Wahlkampfhilfe und Verständigungsprobleme / Diepgen gerät dagegen mit seiner Unterstützung für die Ost-CDU in Schwierigkeiten

Die Mitglieder der SPD-Parteivorstände aus beiden Teilen Berlins haben gestern zum ersten Mal seit dem Bau der Mauer wieder gemeinsam getagt. Vor 28 Jahren hatten die Westberliner Sozialdemokraten mit einer markigen Erklärung ihre GenossInnen im Osten in den vorläufigen Ruhestand geschickt: „Wir danken allen. Wir vergessen niemanden. Wir vergessen nichts!“ hieß es damals in einer Stellungnahme des Parteivorstandes (West).

Nach dem Motto „Vorwärts! und nicht vergessen, daß schon Wahlkampf ist!“ verlief denn gestern auch die Pressekonferenz der beiden Schwesterparteien. Eine Spendenaktion für die Ost-SPD, Hilfe für ein Zeitungsprojekt sowie einen gemeinsamen „Tanz in den Mai“ auf dem Alexanderplatz sind nur einige Vereinbarungen, die gestern getroffen wurden. Als konkretes Ergebnis der mehrstündigen Sitzung im Hauptstadt-„Hotel Stadt Berlin“ gaben die Ostberliner Landesvorsitzende Anne-Katrin Pauk sowie der geschäftsführende Landesvorsitzende der West-Sozis, H.G. Lorenz, die Gründung einer gemeinsamen Kommission „Zukunft Berlin“ bekannt, in der regionalpolitische Probleme diskutiert und Lösungen präsentiert werden sollen.

So ganz ohne Probleme ging das aber schon gestern nicht ab. „Wir sind uns nicht ganz sicher, ob wir mit den gleichen Begriffen auch die gleichen Inhalte meinen“, sagte Lorenz. So wurde Walter Momper, der gegen nachmittag auf Stippvisite kam, von den Ost-Sozis denn auch als lieber Freund und nicht als Genosse begrüßt. „Wir reden von demokratischem Sozialismus, die hier von Sozialdemokratie. Wahrscheinlich meinen wir das gleiche“, führte Lorenz aus. Und Thomas Krüger, Geschäftsführer der Ost-SPD, erinnerte an Vaclav Havels Bemerkung über die von den Kommunisten „gestohlenen Worte“, die man sich nun in einem „langen Gerichtsverfahren zurückholen muß“.

Während die Genossen Parteifreunde demnächst wechselseitig an den Gremiensitzungen der Doppel-Partei teilnehmen möchten, konnte sich CDU-Chef Diepgen gestern noch nicht entscheiden, mit wem er eigentlich reden soll. Nachdem sich der Berliner Landesverband in den letzten Monaten und Wochen stark um die Ost-CDU gekümmert hatte, müssen die westlichen Christdemokraten ihre Unterstützungspläne jetzt möglicherweise wieder über den Haufen werfen. Denn die Gründung der neuen DDR-Partei DSU (Deutsche Soziale Union) hat die West-CDU durcheinandergebracht. Gestern präsentierte CDU-Chef Diepgen sichtlich angeschlagen den Geschäftsführer der DSU, den Leipziger Peter Michael Diestel, der über den Zustand der neuen Partei Auskunft gab. Die DSU wurde am vergangenen Wochenende in Leipzig gegründet, in erster Linie auf einen Vorstoß der Unions-Schwester CSU hin. Über die Organisationsstruktur und die Zahl der Mitglieder konnte Diestel keine Auskünfte geben, sie sei christlich orientiert und bestehe insgesamt aus zwölf Oppositionsgruppen. Die Partei will programmatisch die Einheit Deutschlands vertreten und Rechtsstaatlichkeit und soziale Marktwirtschaft verwirklichen.

Noch hat sie keinen Ostberliner Landesverband gegründet, doch Diepgen versicherte, daß die Berliner CDU auch mit der DSU eng zusammenarbeiten werde. Während der Sprecher der Bundes-CDU, Rühe, am Wochenende kritisiert hatte, daß die Ost-CDU nicht aus der Regierung Modrow ausgetreten war, hatte sich Diepgen schon am Wochenende für einen weiteren Verbleib der CDU in der Koalition ausgesprochen und sich damit auf die Seite von Geißler geschlagen. Gestern bekräftigte Diepgen diese Haltung, indem er argumentierte, die Regierung Modrow sei keine Koalitionsregierung, sondern nur der Versuch eines Krisenmanagements. Er würde eine Beteiligung der Oppositionsgruppen an der Regierung begrüßen, das sei die beste Garantie für Chancengleichheit. „Falls sich die Oppositionsparteien bereit erklären, Regierungsverantwortung zu übernehmen, könnte auch die Beteiligung der Ost-CDU unter einem anderen Licht gesehen werden.“

Die Westberliner CDU hat bisher bereits enge Kontakte zu den Ostberliner Christdemokraten geknüpft und unterstützt diese sowohl mit technischem Gerät als auch mit Flugblättern. Ungefähr eine halbe Million sei schon gedruckt worden, gab Parteisprecher Gentsch auf Anfrage der taz an. Auch die Jugendorganisation der Partei rüstet sich für Ostkooperation. Es bestünden bereits enge Kontakte zur CDJ, der Jugendorganisation der Ost-CDU, so der stellvertretende Landesvorsitzende Daniel Dormann gegenüber der taz. Noch in dieser Woche soll in Ost-Berlin ein Landesverband gegründet worden sein, von dem noch unsicher ist, ob er JU oder CDJ heißen solle.

kd/ccm

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