: Norwegen: Prämien für das Schiffeversenken
Proteste gegen Fischereipolitik / Nur Fabrikschiffe sollen wirtschaftlich arbeiten ■ Aus Svolvaer Reinhard Wolff
Letzte Woche sollte auf den nordnorwegischen Lofoteninseln die traditionelle Fischfangsaison beginnen. Doch die Boote blieben in den Häfen: Streik aus Protest gegen die staatliche Fischereipolitik. Die Fangquoten werden als nicht ausreichend, jedenfalls aber als nicht angemessen verteilt angesehen.
Mangels Fisch sind es zwar jedes Jahr weniger Boote geworden, die in den Atlantik auslaufen, und auch für dieses Jahr wurde wieder eine „schwarze Saison“ vorhergesagt. Trotzdem ist die „Lofotensaison“ für die Existenz Tausender von Fischern und Beschäftigten der kleinen Fischverarbeitungsbetriebe unverzichtbar. Die Fischer mißtrauen auch den Mengenberechnungen der Meeresforscher, auf die sich das Ministerium stützt. Vor allem geht es den Fischern aber um die Verteilung dieser Menge auf die einzelnen Boote: Hier werden die großen Fabrikschiffe, auf denen der Fang gleich verarbeitet werden kann, eindeutig gegenüber den kleinen Kuttern bevorzugt.
Das Ziel: Überleben sollen die großen Einheiten, denn die kleinen Fischerboote sind gesamtwirtschaftlich nicht interessant. Erst werden die Fabrikschiffe mit ausreichenden Quoten bedacht, um überhaupt wirtschaftlich betrieben werden zu können. Was übrig bleibt, wird dann auf die „Kleinen“ verteilt.
Und es bleibt immer weniger übrig. Gegenüber dem letzten Jahr ist die Fangquote glatt halbiert worden. Nach den Berechnungen der BeamtInnen wird es in den nächsten Jahren noch weiter nach unten gehen. Die kleinen Fischerboote, meist im Familienbesitz und noch nicht abbezahlt, gehen dabei unter. Allein in Finnmark, der nördlichsten norwegischen Provinz, sind im letzten Jahr fast 300 Fischer Konkurs gegangen. Die Banken halten sich dann nicht nur an den Booten schadlos, sondern, weil die kaum noch zu versteigern sind, am gesamten Familienbesitz bis hin zum Einfamilienhäuschen.
Diese Entwicklung will die Regierung offensichtlich auch nicht bremsen, sondern nur die schlimmsten Folgen abfedern. Die staatliche Fischereibank hat vorgeschlagen, einen Staatsbeitrag zu zahlen, damit 400 Boote versenkt werden können. Den Fischern sollen Umzugs- und Eingliederungsbeihilfen gezahlt werden, damit sie sich im Süden des Landes eine neue Existenz aufbauen können. „Die Behörden haben keinerlei Verständnis für unsere Situation. Wir werden nicht als Menschen aus Fleisch und Blut betrachtet, sondern als Zahlen in der Statistik. Daß wir hier weiter leben und arbeiten wollen, interessiert die in Oslo nicht.“
Hanne Nilssen, Vorsitzende einer Frauengruppe, die im vergangenen Jahr im Vorfeld der Parlamentswahlen gegründet worden war, ist verbittert: „Vor den Wahlen hat jede Partei uns empfangen und Hilfe für die Küstenbevölkerung in Nordnorwegen zugesagt. Drei Monate später sind wir wieder abgeschrieben.“ Sie schlägt über den Streik hinaus deshalb auch weitere Aktionen vor, damit die „unten in Oslo“ an ihre Versprechungen erinnert werden: Tausende von Fischern sollten mit ihren Booten den Hafen der Hauptstadt blockieren. Das bringe mehr als jetzt die Minimalquote Fisch an Land zu holen, die sowieso vorne und hinten nicht ausreiche. „Ich lasse mich auch gerne wegen Anstiftung zur Blockadeaktion ins Gefängnis stecken.“
In der vergangenen Woche haben einige hundert Fischer schon mal das Blockieren geübt: als der - in rekordschneller Zeit unliebsam gewordene - neue Fischereiminister Munkejord in Alesund eine Fischereikonferenz eröffnen wollte. Auch andere Formen des bürgerlichen Ungehorsams werden propagiert. So hat der Gemeinderat von Loppa in der besonders krisengeschüttelten Finnmark die Bevölkerung aufgefordert, in Solidarität mit den Fischern keine Steuern mehr zu zahlen.
Die bürgerliche Regierung in Oslo zeigt sich hingegen entschlossen, dem Sturm aus dem Norden standzuhalten. Fischereiminister Munkejord erklärt, es gebe keine andere Alternative für die meisten Fischer, als ihren Beruf aufzugeben und ihre angestammte Heimat zu verlassen: „Die Fischereiwirtschaft wird in den nächsten Jahren nicht ausreichen, um die Künstenbevölkerung in Nordnorwegen zu versorgen.“
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