: Ein Internat, made in USA
■ Peter Weirs „Club der toten Dichter“
Der australische Filmer Peter Weir wurde 1974 mit Picknick am Valentinstag international bekannt. Der Film spielte in einem Mädcheninternat und im Sommer. Jetzt hat er in Hollywood einen gedreht, der spielt in einem Knabeninternat und im Winter und heißt Der Club der toten Dichter.
Das Milieu kasernierter pubertierender Söhne aus gutem Hause kennt man ja aus vielen Romanen und Filmen. Das Drehbuch von Tom Schulman enthält denn auch viel Bekanntes: Törleßmäßige Verwirrungen, Schülerulks, strenge Eltern und einen reaktionären Schulleiter. Sympathieträger ist ein Englischlehrer, den Robin Williams (bekannt aus Garp und Good Morning Vietnam) so verkörpert, daß er tatsächlich dem sonst an Klischees so reichen Streifen einige Originalität verleiht. Aus Gedichten von Walt Whitman entwickelt er ein Konditionstraining für Nonkonformismus: im Lehrplan stehen Tische besteigen, Baseball spielen zu klassischer Musik, individuelles Gehen, Gedichte schreiben. Die Lektion seiner ersten Unterrichtsstunde „Carpe diem Pflücke den Tag“ nutzt ein Kreis seiner Schüler (der sich Club der toten Dichter nennt), um alles zu tun, was Schulleitung und Eltern verbieten. Das sind so harmlose Dinge wie moderne Musik hören und spielen, Mädchen anhimmeln und nach Zapfenstreich eine Höhle aufsuchen. Einer spielt gegen den Willen seines Vaters Theater und das endet tragisch.
Nicht nur der Stoff und die Konflikte, auch die Bilder aus dem und um das Internat passen ins alte Europa, ins viktorianische England, die k.u.k. Donaumonarchie oder das preußische Kaiserreich. Aber es soll in den USA in der Gegend von Vermont im Jahre 1959 sein. Damit man das überhaupt merkt, werden die Internatsboys mit Jungen und Mädchen aus der nahen Kleinstadt konfrontiert, wo man auf Feten Rock'n'Roll tanzt und wo die Jungens doppelt so dick und halb so gescheit sind wie die Bürgersöhnchen aus dem College. So hat ein Australier den Amis einen Film über sie selbst beschert, von europäischen Vorstellungen über Klassenunterschiede und bürgerliche Konflikte. Die US-Presse hat ihn gefeiert.
Ingeborg Braunert
Peter Weir: Der Club der toten Dichter, Drehbuch: Tom Schulman, mit Robin Williams, Kamera: John Seale, Musik: Maurice Jarre. USA 1989, über zwei Stunden lang.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen