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Die FDP auf dem Weg zur Wende?

■ Der Beschluß der Liberalen zum Jäger 90

Wie sich die Szenarien gleichen. Schon 1981/82 diente das Feld der Sicherheitspolitik Genscher zur Vorbereitung der Wende. Nach Kaltstellung der damals von William Borm angeführten innerparteilichen Gegner von Pershing II und Cruise Missiles hielt er die FDP gegen alle sachliche Erkenntnis stur auf Nachrüstungskurs und bereitete damit die Wiederannäherung an die CDU/CSU vor. Zwar mußten von Lambsdorff seinerzeit gezielt verschärfte Differenzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik als unmittelbarer Anlaß für den Bruch mit der SPD im Herbst 1982 herhalten. Doch war dieser vom Außen- und Sicherheitspolitiker Genscher atmosphärisch sorgfältig vorbereitet und stand als politische Option schon lange vorher im Raum. Im Unterschied zu damals dient den Liberalen diesmal nicht das Festhalten, sondern das zumindest teilweise Abrücken vom einmal gemeinsam beschlossenen Aufrüstungskurs zur rechtzeitigen Profilierung gegen den größeren Koalitionspartner.

Daß ihr Beschluß zum Verzicht auf den Jäger 90 viele Hintertüren hat, zu seiner Begründung kein einziges Argument vorgetragen wird, das nicht schon seit Jahren von Friedensbewegung, Grünen und SPD angeführt wird - wen interessiert's, wo es um die Erhaltung der Macht im Dezember geht. Und die scheint den Strategen im Thomas-Dehler-Haus an der Seite der Union nicht mehr so sicher wie noch vor wenigen Monaten. Wird die SPD (Ost) stärkste Partei am 6.Mai, erringt die SPD (West) durch Siege im Saarland, NRW und Niedersachsen die Mehrheit im Bundesrat und schickt mit Lafontaine einen auch für Teile der FDP-Klientel akzeptablen Kanzlerkandidaten ins Feld - dann könnte sich das derzeit noch günstig scheinende Blatt für Helmut Kohl schnell wenden. Koalitionskonflikte auf anderen Politikfeldern sind denkbar.

Doch selbst wenn es dazu nicht kommt, wird die Union den Forderungen nach Verzicht auf Jäger 90 sowie Reduzierung von Wehrpflichtzeit und Bundeswehrumfang auf jeden Fall noch vor den Bundestagswahlen nachgeben - je länger sich die Koalitionsauseinandersetzungen darüber noch hinziehen, desto größer der Profilierungsgewinn für die FDP. Wie immer das Wahlergebnis am 9.Dezember aussehen mag - der Bundesaußenminister dürfte auch danach wieder Genscher heißen.

Andreas Zumach

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