Klein-Chicago in Mainhattan

Heute eröffnet die „Deutsche Termin Börse“ / Als vollcomputerisierter Buchmacher will die DTB Anschluß an die internationalen Börsenplätze halten / Schweinebäuche fehlen noch / Wann kommt der erste Totalausfall?  ■  Aus Frankfurt McCash Flow

Wenn heute um 10 Uhr auf den Bildschirmen der Banken Pre -opening starts soon aufleuchtet, ist das Finanzwesen der Republik um eine Attraktion reicher: Mit der „Deutschen Termin Börse“ (DTB) eröffnet ein Casino seine digitalisierten Pforten, dessen Umsatz alle anderen Stätten wunderbarer Geldvermehrung von der Pferderennbahn bis zur Automatenhalle schnell übersteigen wird.

Keine von ihnen kommt mittlerweile ohne elektronische Rechner aus, die DTB aber kann für sich in Anspruch nehmen, die erste Spielhölle auf reiner Computer-Basis zu sein: Der Handel mit Optionen auf 14 deutsche verschiedene Aktien findet ausschließlich über ein bundesweit vernetztes Rechnersystem statt. Daß der Start der DTB ausgerechnet vor ein Wochenende gelegt wurde, hat nichts mit dem Nimbus von Las Vegas zu tun - den möchte die Frankfurter Geldszene eher zerstreuen. Es ist der Software geschuldet, die von der im Vorjahr eröffneten Schweizer Terminbörse übernommen wurde, obwohl sie dort schon einige Totalausfälle produziert hat. Angesichts dieser Anfälligkeit wollte man lieber ein Wochenende zum Nachbessern vor sich haben anstatt einer Woche mit technischen Pleiten - zumal am Anfang die in den letzten Monaten schwer übenden Terminhändler durch Bedienungsfehler schon für genügend Chaos sorgen werden.

Rund 100 Millionen Mark haben die Finanzunternehmen in dieses Projekt investiert, mit dem Frankfurt den Anschluß an die internationalen Börsenzentren halten soll. Ohne einen geordneten Terminmarkt für Wertpapiere, so die Meinung der Banker, sei man auf dem künftigen Geldmarkt Europa zum Hinterhof-Dasein verurteilt. Diese Einsicht beruht nicht auf der reinen Zockermentalität der Großbanken, sondern auf der zweiten Funktion, die eine Terminbörse neben den schnellen Gewinn- und Verlustmöglichkeiten hat: Sie stellt für Großanleger und Investmentfonds eine Art Versicherung dar.

Ein Fond, der ein großes Aktienpaket in seinem Bestand gegen Kursverluste absichern möchte, erwirbt zum Beispiel Put-Optionen (siehe Kasten) und kann so seine Verluste bei einem eventuellen Börsencrash auf den kleinen Betrag der Optionsprämie begrenzen. Was diese defensive Optionsstrategie betrifft, gilt die zur Ehrrettung der als „Klein-Chicago“ verrufenen Termingeschäfte derzeit in Frankfurt aufpolierte Formel: Wer sich nicht an den Terminbörsen engagiert, ist ein Spekulant.

„Heiß“ und damit ökonomisch überhaupt erst interessant wird das Geschäft aber nur, wenn die offensiven Spieler mitmischen, daraus macht der Aufsichtsrats-Chef der DTB und Deutschbankier Rolf Breuer keinen Hehl: „Was die Terminbörse braucht, ist der sogenannte Spekulant, der kurzfristige Marktschwankungen ausnutzt. Er ist das Salz in der Suppe.“

Um ihm die Sache möglichst schmackhaft zu machen, hält die DTB zwar keine Schweinebäuche und Rinderhälften bereit wie die weltgrößte Terminbörse in Chicago - am Main muß er vorerst mit ein paar Aktiengesellschaften vorlieb nehmen bietet aber ansonsten alle Instrumente des amerikanischen Optionsmarkts. Darunter etwa die Kombinationswetten „Spread“ und „Straddle“, die jedem Buchmacher zur Ehre gereichen und es ermöglichen, Gewinne zu machen, egal ob der Kurs fällt oder steigt, Hauptsache die Volatilität, die Schwangkungsbreite der Kursbewegungen, ist groß genug.

Angesichts der starken Kursschwankungen der letzten Zeit kommt die ITB offenbar gerade zum rechten Zeitpunkt mit diesen als „Finanzinstrumente“ bezeichneten Innovationen, die bei genauerem Hinsehen nichts anderes sind als ein gigantisches Wettgeschäft. Nur daß es eben nicht in Hinterzimmern, sondern auf den Terminals der Bankfilialen gespielt und statt auf Pferde oder Hunde auf Allianz und Daimler gesetzt wird.

Die Manipulationsmöglichkeiten sind kaum geringer als auf einem Rennplatz. Die DTB will sie durch streng geheime Kontrollmechanismen ausschließen, doch die Gefahren liegen in der Natur des Geschäfts: Optionen verlangen sehr viel weniger Kapitaleinsatz als Aktien, deshalb läßt sich der Optionsmarkt mit sehr viel weniger Kapital manipulieren (etwa durch künstliches Hochziehen von Kursen) als der „schwere“ Aktienmarkt.

Aus diesem Grund hat das hessische Wirtschaftsministerium als Aufsichtsbehörde der DTB Einsicht „in die Bücher“ verlangt: Ein Staatskommissar kann auf einem DTB-Terminal den von 10 bis 16 Uhr laufenden Handel beobachten, und hofft, daß die statistische Auswertung der Vorgänge schwarze Schafe früh genug transparent macht.