: „Sonst wird die DDR peripherisiert“
Der Ökonom Hans-Jörg Herr über das Verhältnis von D-Mark und Mark der DDR und die Notwendigkeit, die Mobilität der DDR-BürgerInnen einzuschränken ■ I N T E R V I E W
Hans-Jörg Herr (39) arbeitet am Wissenschaftszentrum Berlin und ist Mitherausgeber eines demnächst erscheinenden Sammelbandes über die DDR-Wirtschaft
taz: Allenthalben wird von einer Währungsunion zwischen der D-Mark und der Mark der DDR gesprochen. Ist dieser Begriff überhaupt berechtigt?
Hans-Jörg Herr: Es gibt dabei zwei Varianten. Die erste ist, daß zwei Währungen bestehen bleiben, die aber absolut feste Wechselkurse haben. Beim zweiten kann man schon nicht mehr von einer Währungsunion sprechen, sondern von einem einheitlichen Währungsgebiet, in dem es nur noch ein Geld gibt. Das erste Modell ist letztlich ein Übergang zum zweiten.
Die Bundesbank hat aber einen festen Wechselkurs rigide abgelehnt, weil sie ihn finanzieren müßte. Dann könnte die DDR-Regierung nach Belieben Banknoten drucken und sie gleich zum Umtausch fliegen.
Ja, die Bundesbank könnte nur dann feste Wechselkurse akzeptieren, wenn sie die Geldpolitik der DDR bestimmen könnte.
Gibt es für die DDR denn überhaupt eine andere Möglichkeit, als die Geldpolitik zwischen der Bundesbank und der Staatsbank der DDR zu koordinieren?
Nein. Es ist ja auch durchaus sinnvoll, den Wechselkurs zu stabilisieren. Da ist es auch durchaus sinnvoll, daß die DDR ihre Währung an eine starke westliche Währung koppelt. Aber die entscheidende Frage ist, welcher Wechselkurs gewählt wird.
Welches sind dafür die entscheidenden Kriterien?
In der Diskussion gibt es zwei Standpunkte. Der eine zielt auf einen „hohen“ Wechselkurs, der für die DDR möglichst gut ist. Aber meines Erachtens würde ein solcher Wechselkurs die Entwicklungsmöglichkeiten der DDR eher beschränken. Denn ein sich entwickelndes Land müßte, um wettbewerbsfähig zu sein, eine moderate Unterbewertung anstreben, quasi das Erfolgsrezept der Bundesrepublik, Japans oder Taiwans. Das bedeutet einen Wechselkurs, bei dem sie sich über Exporterfolge ihre Devisen geholt haben.
Was würde denn passieren, wennn die DDR-Regierung der Bundesbank die Währungspolitik überlassen und die D-Mark zum Kurs von 1:4,4 als Parallelwährung einführen würde?
Dann verschwände die alte DDR-Mark faktisch. Weil die Produktivität in der DDR aber sehr viel geringer ist als hier, bedeutet das, daß das DDR-Gebiet etwa gegenüber Baden -Württtemberg oder dem Ruhrgebiet nicht konkurrenzfähig wäre und zu einer peripherisierten Region würde.
Hat die DDR-Regierung denn überhaupt noch Zeit, um die Konvertibilität stufenweise durchzusetzen?
Das ist ein heikles Thema. Im Grund hat die DDR nur eine Chance, als eigener Staat zu überleben, wenn die Mobilität begrenzt wird. Alles andere führt erst mal zu einer fortlaufenden Zerrüttung der Verhältnisse.
Eine neue Mauer?
Vom ökonomischen Standpunkt aus hieße es eher eine Beschränkung der Arbeitserlaubnis in der BRD. Sonst hat die DDR sehr geringe Chancen, ihre Eigenstaaatlichkeit aufrechtzuerhalten.
Interview: Dietmar Bartz
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