Stätten körperlicher Lust-Arbeit

■ Fitness - Studios sind längst nicht mehr nur Domänen von Narziß und Muskelprotz

Den Kopf auf die Lehne legen. Das Becken fest gegen die Bank drücken. Nein, nicht ins Hohlkreuz gehen, mehr Spannung. Aufrecht. Und jetzt die Beine leicht anwinkeln und auseinandernehmen. Die Füße hier abstützen und mit den Knien gegen den Widerstand nach innen pressen. Klare Anweisungen, aber die Maschine würde auch keine andere Haltung dulden. Und doch beschleicht mich das Gefühl, zum ersten Mal in meinem Leben auf einem Gynäkologenstuhl zu liegen. Die Beine breit, mit den Händen die Griffe fest umschlossen. Die Augen mehr an der Decke als am Ort meiner mühseligen Pressbewegungen. Der abstruse Gedanke und die abschweifende Phantasie entlarven den Neuling in mir. Den Wissenden passiert das nicht mehr. Sie haben gelernt, das Wesentliche zu sehen. In diesem Fall: die Adduktoren. Die verbinden Leiste und Kniegelenk und spielen im Konzert der Oberschenkelmuskulatur eine gewichtige Rolle.

„Kontakt zur Muskulatur“ - so schön können Eingeweihte diesen nach innen gekehrten Blick nennen, der den äußerlichen Einwirkungen, den gezielten und wohlüberlegten Herausforderungen an bestimmte Partien des Körpers, nachspürt. Von Fitness soll die Rede sein und von den Orten, an denen sie produziert wird. Studios, in denen Body -Building passe ist und Menschen das Bild bestimmen, die sich ihren lang gehegten Bewegungsmangel, ihren ganz persönlichen Haltungsschaden und das leidige Übergewicht vom Leibe arbeiten.

Nichts erinnert an düstere Folterkammern, an kollektive Schwitz-und Stöhnorgien kleiner Arnold Schwarzeneggers. Hell, freundlich und großzügig sind die

Räume gestaltet. Wohlfühlen hat Priorität, so ist das Foyer, so ist die Bar und so sind die beiden Trainingsräume. Für die Herren die Geräte in schwarz-weiß, für die Damen in pink und weiß. Der Club Sportiv, seit wenigen Monaten im neueröffneten Fritz-Piaskowski-Bad in Bremen-Vegesack zu Hause, wird von Sabine Kunkat und Markus Begerow geführt, beide AbsolventInnen der Kölner Sporthochschule. Die Muskelpakete und Kraftprotze, die die einschlägigen Illustrierten schmücken, die an der kleinen Theke ausliegen, verkehren hier nicht. Es gibt sie zwar, die schweren Jungs, die nur Kraft bolzen, die zehn Stunden und mehr in der Woche sich an den Maschinen abrackern und Eiweißpräparate schlucken. Aber es sind wenige und ihnen fehlt insbesondere die stimulierende Szene, in der der aufgeblasene Trizeps Statussymbol ist und ein jeder die Mühsal einzuschätzen vermag, die es gekostet hat, bis man nun mit einem solch außergewöhnlichen Latissimus posieren kann. „Fünfzig Prozent aller Leute, die zu uns kommen“, erzählt Sabine Kunkat, „haben Skoliose, und davon hat die Hälfte akute Rückenbeschwerden.“ Die Nachsorge bei Bandscheibenvorfällen, die Vorsorge bei Wirbelsäulenveränderungen - zum Muskelaufbau treibt es sie alle ins Fitness-Studio. Die Motive der anderen: Körperstraffung und Gewichtsreduktion. Ein sehr funktionales Verhältnis zum eigenen Körper legen viele anfänglich an den Tag, sind beseelt von einem naiven Glauben an die Allmacht der Technik, die ihnen nun binnen kürzester Frist die Fettpolster im je gewünschten Umfang an Bauch, Hüfte und Po reduziert, ohne dabei Muskeln anzusetzen.

Solche Flausen werden ihnen ausgetrieben. Im Club Sportiv mit eingehender individueller Beratung und viel Aufklärung über Ernährungs-und Bewegungsgewohnheiten. Viel Zeit widmen die beiden Studiobesitzer dem einzelnen Kunden. Vom Probetraining über das einstündige Beratungsgespräch und den Fitness-Check, alleingelassen wird sich kaum jemand hier fühlen. Beide besitzen auch, was noch längst nicht für alle Studios und ihre Trainer gilt: ausreichende Kenntnisse in Anatomie und Physiologie, qualifiziertes Wissen in der Sportmedizin und Trainingslehre.

Qualität, auf die man auch bei Eisenhauer größsten Wert legt. Mit einem Seitenhieb auf so manche Scharlatane in der eigenen Branche, wird die Ausbildung der MitarbeiterInnen und die fachgerechte Anleitung an den Geräten

betont. Maschinen, die nicht nur Kraft, sondern auch die Beweglichkeit schulen, die dank ausgetüftelter Technik gelenkschonend sind, weil sie als Verlängerung von Knie, Hüfte oder Ellbogen konzipiert sind. Der glitzernde Gerätepark ist üppig, ansonsten aber gehts puristisch zu bei Eisenhauer. Alles ist reduziert auf das funktionale Moment. Ein Irrgarten chromblitzender Maschinen, sechzig Geräte in schwarz und blau, Spiegel und sonst nichts mehr. Keine Pflanze, kein Bild, keine Musik, keine Bar. „Alles Schicki -Micki raus“ ist die Devise des Chefs und er hat damit Erfolg. In den Anfangszeiten hatte er sein Studio exklusiver ausgestattet als so manch andere ihr Wohnzimmer. An den Wänden wechselten die Ausstellungen Oldenburger KünstlerInnen. Auf dem Boden lag ein Teppich, der pro qm 50 Mark kostete. Die Mitgliedschaft war fein, aber klein. Jetzt hat er entrümpelt („Wir wollen nicht Galerie sein und auch kein Kontakthof, zum Kaffetrinken und Anmachen gibt es andere Orte“), den Preis fürs Jahresabo von 990 auf 590 Mark gesenkt und zählt statt 300 mittlerweile 2.500 Mitglieder in beiden Oldenburger Studios. Mit dem Motto: „Wir machen die Leute käftiger und gesünder“ hat er wohlbestallte Manager wie tätowierte Hafenarbeiter unter ein Dach gebracht. Und auch vor dem Alter kennt er kein Pardon: einige Siebzigjährige seien es schon, die regelmäßig zum Training kommen, versichert Mr. Eisenhauer nicht ohne Stolz. So asketisch das Ambiente, so bestimmt ist die Fitness -Philosophie, die darin zum Vorschein

kommt. Alles was Show ist - weg. Die martialischen Insignien des Body-Building, die noch immer in vielen Köpfen das Bild vom Fitness-Studio bestimmen, die Leistengürtel oder Handmanschetten finden sich hier nicht. „Es gibt keinen mit Gürtel, jedes Hilfsmittel ist eine Krücke“, sagt Detlef Eisenhauer. „Wir stützen keine Gelenke, wir trainieren sie.“ Nach Eiweißpräparaten hält man vergeblich Ausschau. „Die verkaufen wir nicht, wir wollen gesunde Körper haben“, ist die Auskunft von Betriebsleiterin Deidi, die mir hilft, mich in der Welt der Muskeln und Maschinen zurechtzufinden. Der Eiweißhandel als Glaubensfrage - und Renditeobjekt. „Wenn wir wollten“, rechnet Eisenhauer vor,„könnten wir für 60.000 Mark Umsatz Eiweiß verkaufen.“ Aber er will nicht, weil er die Proteinsubstitution für ausgemachten Quatsch hält. Selbst bei einem maximalen Muskelaufbau von 5 Kilo pro Jahr, so geht seine Rechnung weiter, benötige der Mensch nur 2,72 Gramm Eiweiß pro Tag. Ein halbes Hühnerei.

Andreas Hoetzel

Club Sportiv im Fritz-Piaskowski-Bad, Fährgrund 18, Bremen -Vegesack, Tel: 656397, Öffnungszeiten: 9.30 -12.30, 15 -21.30, Mitgliedsbeitrag pro Jahr: 900 Mark mit Ermäßigungen fürs Bad.

Eisenhauer, Oldenburg, Posthalterweg 1, Tel: 0441/73005

Oldenburg, Kreyenstr. 39, Tel: 0441/33005

Bremerhaven, Adolf-Kolping-Str. 2-4, Tel: 0471/68850.

Öffnungszeiten: 9-22 Uhr, Mitgliedsbeitrag pro Jahr: 590 Mark.