: Als läge Saarbrücken in Sachsen
■ In der Bonner Runde redete kaum jemand über das Saarland, aber alle über die Wahlen in der DDR
Berlin (taz) - Für die Wähler im Saarland hatte CSU-Chef Waigel überhaupt nur einen Satz übrig: Das Bundesland sei ungefähr so groß wie der kleinste Regierungsbezirk Bayerns. Entsprechend aussagekräftig, so hätte es Waigel gern, sei auch der triumphale Wahlsieg Oskar Lafontaines. Eins nimmt er diesem allerdings übel. Waigel: Uns ist schon vor einem Jahr vorgeworfen worden, wir hätten die Themen der Republikaner übernommen und Schönhuber damit hoffähig gemacht. Lafontaine hat genau dies in den letzten Wochen in geradezu unglaublicher Weise praktiziert, und nun soll dies ein staatsmänischer Akt sein?
So sehr Waigels Ärger zu verstehen ist, im Kreis der Bonner Parteivorsitzenden blieb er mit seiner Empörung allein. Seinen Kanzler trieben ganz andere Fragen um. Zwar dementierte er heftig die vom ZDF-Moderator vorgebrachte Einschätzung, er hätte sich vor der Saarwahl bereits als „Kanzler der Einheit“ gefühlt und nun einen Dämpfer bekommen - tatsächlich aber traf Herles damit voll ins Schwarze. Darüber, schnaubte Kohl, „werde die Geschichte entscheiden“, deren Hauch wohl an den Saarländern vorbeigegangen ist. Tatsächlich habe Klaus Töpfer angesichts der Demagogie im Wahlkampf „nicht reüssiert.“ „Wenn wir jetzt das Richtige in der DDR tun“, hob Kohl an und hatte damit zumindestens SPD -Vogel die Show vermiest. Denn statt den Triumph seiner Partei richtig auskosten zu können, mußte auch Vogel sich mit den Brüdern und Schwestern von drüben herumschlagen. Ob denn Lafontaine in der DDR auch so populär sei wie an der Saar, ob seine Kampagne gegen die sozialen Kosten der DDR -Übersiedler ihn nicht in Widerspruch zur deutschen Mehrheitsmeinung bringe und ob dieser Kanzlerkandidat überhaupt die deutschlandpolitische Erklärung seiner Partei teile? Überhaupt nur ein einziges Mal konnte Vogel darauf verweisen, daß die CDU an der Saar bereits die zehnte Landtagswahl in Reihenfolge verloren hat, dann mußte er breits beschwichtigen: Selbstverständlich trage Lafontaine das Bekenntnis zur Einheit mit, selbstverständlich habe Oskar nicht die Parolen der REPs übernommen, und selbstverständlich habe er als Ministerpräsident nur getan, was seine Pflicht ist, nämlich die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen. Abgeschlagen am Diskussionstisch wie bei der Wahl blieben Fücks für die Grünen und Lambsdorff für die FDP. Fücks wunderte sich zu Recht über die Selbstgerechtigkeit der anderen Bundesparteien gegenüber den Menschen drüben, denen die Parteien hier nur die Früchte ihrer Revolution raubten. Das sei nicht nur eine Unverschämtheit, sondern auch eine Katastrophe angesichts der realen Probleme in der DDR. Wie könne Kohl hier auftrumpfen und sich befriedigt darüber zeigen, daß die Ökologen in der DDR auch nicht mehr Chancen hätten als in der Bundesrepublik, wo doch die ökologische Katatrophe gerade in der DDR mit Händen zu greifen sei.
Darauf fiel Lambsdorf noch ein besonders treffendes Statement ein. Die Situation in der DDR zeige nur eins: Wirtschaft ohne Wachstum zerstört am Ende die Umwelt. Das wäre doch das, was die Grünen immer gewollt hätten. Jürgen Gottschlich
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