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Kurdinnen-betr.: "Ich dachte, die Ehe sei Freundschaft", taz vom 3.1.90 - dazu Leserinnenbriefe vom 16., vor allem den vom 22.1.90

betr.: „Ich dachte, die Ehe sei Freundschaft“, taz vom 3.1.90 dazu die Leserinnenbriefe vom 16., vor allem den vom 22.1.90

Ich verstehe nicht, warum der Artikel solche „Empörung“ hervorgerufen hat. Antje Bauer ist doch wohl nicht schuldig an der Stellung der Frau in islamischen Gesellschaften. Ich habe ihren Artikel auch nicht als diskriminierend für Kurdinnen empfunden. Oder ist es so, daß wer die Diskriminierung von Frauen in islamischen Gesellschaften und nicht nur dort - sehr richtig beschreibt, ausländerfeindlich ist? Oder männerfeindlich? Oder vielleicht arbeiterfeindlich (hab ich auch schon gehört).

So argumentieren ja die Vertreter gewisser Regierungen. Wer das Kurden- oder Armenierproblem anspricht, sei türkenfeindlich, zum Beispiel. Eine zeitlang wurde ja auch Leuten, die gegen die Nachrüstung waren, Antiamerikanismus vorgeworfen.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Idee der multikulturellen Gesellschaft damit gedient ist, daß die negativen Aspekte fremder Kulturen unter den Tisch gekehrt werden. Besonders schlimm finde ich es, daß immer wieder (immer noch) der Vorwurf des Eurozentrismus gemacht wird, wenn es um Frauendiskriminierung beziehungsweise ihre Darstellung geht.

Das erinnert mich so an Leute, die sich dafür aussprechen, Menschen, die in ihren Heimatländern von Folter und Hinrichtung bedroht sind, auszuliefern mit der Begründung, daß diese Formen der Rechtsprechung in diesen Kulturen durchaus üblich seien und für das dortige Empfinden keine besondere Härte darstellen würden!

Zu den islamischen Völkern gehören auch die Frauen - aber das scheint vielen islamischen Männern nicht einzugehen vielmehr wird es immer verbreiteter, die Diskriminierung der Frauen mit dem Koran zu rechtfertigen. Ich denke, das wird nicht dadurch besser, daß dieselben Männern ebenfalls diskriminiert sind.

Ich glaube auch nicht, daß die islamischen Männer so primitiv sind, daß ihnen nicht mehr Solidarität mit den Frauen zugemutet werden könnte. Das wäre ja nun meines Erachtens wirkliche Diskriminierung!

Ihr entschuldigt doch sicher den Rassismus, der sich hier oft zeigt auch nicht damit, daß die, die ihn vertreten, selber oft sozial diskriminiert sind?

Elvira Büchner, Berlin

betr.: dito und Leserbrief von Peter Brodbeck, taz vom 23.1.90

(...) Ich würde gern wissen, wie Du in Erfahrung gebracht hast, welche Nationalität sich unter dem Schleier verbarg, Kurdin oder Türkin? Und warum das so wichtig für Dich war und ist.

Für mich ist Schleier tragen insgesamt grausam. Und gerade in der Ost-Türkei, wo soviele KurdInnen leben (nicht nur), leben die Menschen unter feudalistisch/traditionalistischen Verhältnissen und sind islamisch fundiert. Der Islam schreibt jeder gläubigen Muslimin vor, Schleier zu tragen, ob Kurdin oder Türkin.

Dürfen „linke“ Männer das Geschlechterverhältnis der KurdInnen nicht in Frage stellen? Ich als Frau erlaube mir das und habe keine Lust, auf die links/kurdisch eingestellten Deutschen, die mit Scheuklappen über die Türkei, noch schlimmer über die muslimischen Frauen anfangen, politisch zu reden. Euch geht es nämlich um die Idee, nicht darum, wie es der Frau in der Ost-Türkei wirklich geht. Ihr seid es auch, die einen Artikel, der den Schleier etwas lüften könnte, mit linkem Gelaber abtut. Ich kenne genug linke Kurden in der BRD, deren Frauen ich nur vom Erzählen kenne.

Für Dich wäre das sicher nicht so wichtig, denn es kommt darauf an, daß sie Kurden sind und Du Dich als ihr Retter vor den bösen TürkInnen aufspielen kannst.

Necla Kelek, Hamburg

Da ich die Tendenz, die A.Bauer vorgeworfen wird, nicht aus dem Artikel herausgelesen habe, werde ich den Verdacht nicht los, daß die KritikerInnen lediglich ihre eigenen Vorurteile bestätigt wissen wollten. Ob der ein oder andere Kritikpunkt berechtigt ist, kann ich nicht beurteilen, da ich mich mit diesem Thema nicht ausführlich beschäftigt habe.

Völlig absurd aber ist der Vorwurf der Inkompetenz A.Bauer gegenüber. Sie spricht türkisch - wie viele andere Sprachen

-fließend und pflegt auf so unkonventionelle Weise zu reisen, wie es sich der von Reiseführern verführte Peter Brodbeck wohl kaum vorstellen kann...

Isabella Hensler, Marburg

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