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Bauernpartei rechnet schonungslos ab

■ Maleuda: Wir sind mitverantwortlich für die tiefe Krise / Große Koalition sofort, sonst Volkskammerauflösung und Neuwahlen binnen 45 Tagen / Keine Koalition mit der SED-PDS

Ost-Berlin (dpa) - Der Vorsitzende der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD), Volkskammerpräsident Günther Maleuda, hat schonungslos mit der Vergangenheit abgerechnet und dabei die Mitverantwortung der Partei für die tiefe Krise der DDR eingestanden. Die Parteiführung entziehe sich nicht der Mitschuld an der entstandenen Lage, sagte Maleuda auf dem außerordentlichen Parteitag der DBD am Samstag vor den etwa 1.000 Delegierten in Ost-Berlin, die am Wochenende einen „Schlußstrich unter ein unrühmliches Kapitel“ ziehen und die Leitungsgremien neu wählen wollten.

Die DBD sei mitbelastet und habe die „falsche Politik der damaligen SED-Führung mitgetragen“. Als verhängnisvoll habe sich erwiesen, „daß sich unsere Partei drängen ließ, auf eigenständige programmatische Zielstellungen zu verzichten“. Der Gesellschaft sei hauptsächlich durch die Schuld der SED unermeßlicher Schaden zugefügt worden und habe „Generationen um die Früchte ihrer Arbeit betrogen“. Es entspreche dem Willen der DBD-Mitglieder, wenn sich die Partei eindeutig von der SED-PDS abgrenze und einen scharfen Trennungsstrich ziehe, sagte Maleuda. Er schloß eine Koalition mit ihr nach den Wahlen eindeutig aus. Die Beseitigung ehemaliger Machtstrukturen durch die SED-PDS-Führung laufe zu langsam. Besonders in den Dörfern und Kreisen seien diese Strukturen noch nicht abgebaut und die Vorherrschaft der ehemaligen Staatspartei noch nicht beseitigt. „Das ist sofort zu verändern“, forderte Maleuda.

Der Parteivorsitzende sprach sich für die sofortige Bildung einer Großen Koalition unter Beteiligung der Opposition aus. Sollte eine solche Koalition nicht zustande kommen, will die DBD die Auflösung der Volkskammer und Neuwahlen innerhalb von 45 Tagen durchsetzen. Sie folge nicht dem Schritt der CDU, ihre Minister aus der Regierung unter Ministerpräsident Hans Modrow (SED-PDS) zurückzuziehen, ohne die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen abzuwarten, die für Sonntag anberaumt sind.

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