: mickymaus im mann
■ Mons cri-Rhytmik in der Literarischen Woche
Keuchen, Ächzen, Stöhnen, Quäken, Wimmern, Schmatzen ohrenbetäubend und in Stereoton: „sound poetry“ nennt sich das. Oder: „cri-Rhythmik“ und „musikalisches Triebleben“. Mittendrin in der „Affektlandschaft“, beharrlich gegen das „allgemeine Sinn-Timbre“ anskandierend, der Lautdichter Franz Mon: „was wird denn aus einer maus? was wird denn aus einer einsamen maus? was wird denn aus einer infantilen maus? was wird denn aus einer maus im uterus? was wird denn aus einer methodischen maus? was wird denn aus einer mickymaus? was wird denn aus einer maus im mann? was wird denn...?“ Die Reihe ließe sich ins nahezu Unendliche fortsetzen: wem schwindelt nicht bei dem Gedanken an die möglichen Attributkombinationen, die unentdeckt im deutschen Sprachschatz schlummern? Ein „Abend phonetischer Poesie“, der Literarischen Woche angehängt, zwingt da, auch wenn er sich zweieinhalb Stunden in die Länge zieht, zu künstlerischer Bescheidung. Schließlich sollten die anfangs irritiert-amüsierten, später gähnenden Zuhörer auch noch in den Genuß eines avantgardistischen Sprechstückes des Musiker -Schauspieler-Autoren Hartmut Geerken kommen, der es nicht
„Laute in Freiheit“ aus den Lautsprechern schnalzeln und hecheln ließ, sondern non-sense mit Detonationsgeräuschen garnierte.
Und Oscar Pastior wollte dem Publikum auf keinen Fall die „29 Möglichkeiten, seinesgleichen anagrammatisch umzustellen“ vorenthalten: Gegen „Enge des Denkens“ und „Klemme der Wörtlichkeit“ zieht er mit „ein genesiselch“ und „gleich esse ich genessel“ zu Felde. Alles klar? Nein? Dann liegt das nicht etwa an der geringen Verständlichkeit der Texte, sondern am „existensgefährdenden Manko an Verstehenspotential“ (Mon).
Schon Nietzsche, so entnahm es der Zuhörer dem 60minütigen Referats des Literaturwissenschaftlers Klaus Ramm über die sogenannte konkrete Lyrik, hat erkannt, daß der lautliche Aspekt der Sprache das Verständlichste an ihr sei - und das Heiligste. Sinn her oder hin. Und haben nicht schon die russischen Futuristen zu Beginn dieses Jahrhunderts sinniert: „Unter der Bedeutung schrumpft das Wort“? Daß nur eine Sprache gegen ihren tagtäglichen Verschleiß widerständig sein kann, die ihren Sinn verdunkelt, quasi vorsprachlich, vorbegrifflich ist? Geerken hofft, daß „Nichtdenken zu was führen könnte“.
Kerstin Thust
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