Trotz „Zerhacker“ Telefongespräche abgehört

■ Stasi belauschte wahrscheinlich schon seit den 60er Jahren intime Polit-Telefonate zwischen Berlin und Bonn / Postsprecher: Beim Senat benützte „Zerhacker“ an Telefonen auch nicht sicher / CDU fordert Aufklärung von Momper

Möglicherweise hat der DDR-Staatssicherheitsdienst schon seit Ende der 60er Jahre systematisch den Telefonverkehr zwischen Bonner Ministerien, nachgeordneten Behörden und dem Bundeskanzleramt mit West-Berliner Stellen abgehört. Dabei erscheint auch nicht ausgeschlossen, daß es den Lauschern gelang, selbst sensibelste Gespräche zu entschlüsseln, die über einen angeschlossenen „Zerhacker“ geführt wurden. Das ergaben jetzt Recherchen der taz.

Wie Elektronikexperten erläuterten, gibt es für die computergesteuerten Abhöranlagen, die der Stasi laut 'Spiegel‘ einsetzte und noch einsetzt, seit Ende der 60er Jahre die entsprechenden Bausteine - Mikroprozessoren und Synthesizer mit sogenannter Phasenverriegelungsschaltung (PLL). Die heute bei jedem besseren Autoradio eingebaute Technik macht das Speichern und Herausfiltern von Telefonverbindungen zum Kinderspiel. Der Einschätzung der Fachleute zufolge war es der DDR unter Umgehung der Cocom -Liste ein leichtes, sich schon frühzeitig diese damalige Hochtechnologie zu beschaffen.

Unterdessen widersprach der Sprecher der Landespostdirektion, Detlev Ullrich, auch der in Senatskreisen frohgemut geäußerten Auffassung, Top-Secret -Gespräche über einen Apparat mit vorgeschaltetem „Zerhacker“ seien abhörsicher. Ullrich: „Für mich gibt es keine sichere Verbindung. Das gilt auch für Zerhacker.“ Nach den ersten Erläuterungen der Fachleute erfordert der Einsatz eines Zerhackers, der die Gesprächssequenzen computergesteuert durcheinanderwürfelt, beim Gesprächspartner auch immer eine entsprechende Decodierungseinrichtung.

Denkbar sei also, die Decodierung auch „unterwegs“ vorzunehmen - etwa im Stasi-Hauptquartier an der Normannenstraße in Ost-Berlin. Nebenbei betrachten die Nachrichtenexperten dabei die Richtfunkstrecken von West -Berlin ins Bundesgebiet eigentlich nicht als „das Problem“. Viel einfacher wäre es, die entsprechenden Lauscheinrichtungen an der „Quelle“ - den jeweiligen Fernsprechteilnehmern - aufzubauen. Stimmen die Berichte von Überläufern, war es jedoch tatsächlich notwendig, „Tausende von Leuten“ einzusetzen, um die Richtfunktelefonate von Berlin nach Wessiland anzuzapfen. Die Verbindungen über die Fernmeldetürme am Schäferberg und in Frohnau werden nämlich per „Multiplex„-Übertragung höchst kompliziert ineinander verschachtelt, so daß über die gut 20.000 analogen und digitalen Telefonkanäle jeweils eine Vielzahl von Gesprächen gleichzeitig abgewickelt werden kann. Zudem bleibt es immer noch dem Zufallsprinzip überlassen, ob ein Gespräch in die Bundesrepublik nun über ein Kupferkoax-, ein Glasfaserkabel oder eben über die Richtfunkstrecken zu den Türmen im Harz und der Lüneburger Heide läuft.

Daß mit ziemlicher Sicherheit auch unsere „alliierten Freunde“ lauschten, mußte spätestens 1981 jedem Eingeweihten klar werden. Seinerzeit wurde dem verblichenen Boulevardblatt 'Der Abend‘ von anonymer Seite der Tonband -Mitschnitt eines abgehörten Telefonats zwischen dem damaligen Bundeskanzler Schmidt und SPD -Bundesgeschäftsführer Peter Glotz zugespielt. In dem Gespräch ging es um die Nachfolge für den gerade zurückgetretenen Berliner Regierenden Bürgermeister Dietrich Stobbe.

thok