Für 500 Mark eine Frau aus der DDR

In Hildesheim holt der Partnerschaftsvermittler Dieter Kirchner bundesdeutschen Männern eine Frau aus der DDR in die Wohnung / Das Übersiedeln wird garantiert / 850 Frauen haben sich schon gemeldet / Der Trend zum männlichen „gut situierten“ Bundesbürger  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Erst habe ich gleich nach der Grenzöffnung 1.000 Flugblätter an die Trabbis von drüben geklemmt und dann in diesem Jahr noch mal selbst 1.000 in Leizig, 5.000 in Magdeburg und 5.000 in Ost-Berlin verteilt“, gibt Dieter Kirchner, in Hildesheim ansässiger Vermittler für DDR-Frauen bereitwillig Auskunft. „Nette und gutaussehende Herren mit schöner Wohnung, Arbeit und Auto“, versprechen die Flugblätter den Frauen aus der DDR, die mit Hilfe Kirchners „DDR-BRD -Partnervermittlung“ zu einem Mann in die Bundesrepublik ziehen wollen. „In der DDR kommen auf einen Mann drei Frauen, in der BRD fehlen mehr als zwei Millionen Frauen aller Altersgruppen“, heißt es auf den Handzetteln und auch in Anzeigen, mit denen der Frauenvermittler in der BRD Männer auf DDR-Freiersfüßen sucht. „Das mit den drei Frauen auf einen Mann hat mir eine Frau in Magdeburg erzählt, und auch bei einer Partnervermittlung in Stendal, mit der ich zusammenarbeite, ist das so“, sagt Dieter Kirchner treuherzig. 850 Frauen aus der DDR haben sich bisher bei ihm gemeldet. Allein in dieser einen Stunde am Samstag nachmittag klingeln drei männliche bundesdeutsche Kunden an der Tür im Hildesheimer Stadtteil Himmelsthür.

„Ich habe Spaß daran, Ehen zu stiften“, behauptet der Partnerschaftsvermittler. „Eigentlich müßte ja der Staat dafür sorgen, daß jeder Mann eine Frau bekommt.“ Mit der Vermittlung von Frauen aus Fernost sei das nicht zu vergleichen. „Die Frauen aus der DDR sind nicht unterwürfig. Sie kommen auch nicht, weil sie sich materiell besser stellen wollen, sondern weil sie drüben einfach keinen Mann kriegen.“ Selbst Ulli R. Kirchners neuester Kunde, der gerade hereingekommen ist, will „das so nicht glauben“.

„Einen gut situierten, beruflich gesicherten Mann, der ihren Kinderwunsch teilt, wünscht sich Kirsten aus Leipzig“, so ließt der DDR-Frauenvermittler später aus einem Brief vor, den er unter der Nummer 314 aus einem großen Pappkarton herausgesucht hat. Doch der ganz in Jeans gekleidete 33jährige Ulli R., bleibt skeptisch: „Die will ja einen Mann bis 40 oder 45 Jahre.“ Die Karteikarte der 28jährigen Leipzigerin mit der Nummer 314 hat Ulli R. zuvor aus dem Plastikkasten für die 24- bis 30jährigen herausgesucht. Auf den Karten klebt ein Foto, auf ihnen hat Dieter Kirchner Größe, Gewicht, Beruf und das Sternzeichen eingetragen. Wegen der Adresse von Kirsten will Kirchner den Brief selbst nicht aus der Hand geben, bevor nicht Ulli R. einen Vertrag unterzeichnet und die „Vermittlungsgebühr“ von 500DM gezahlt hat. Für das Geld soll es solange Adressen von Frauen aus der DDR geben, bis der Mann und die Frau in der Bundesrepublik „in einer Wohnung zusammenwohnen“.

Hauptberuflich ist Dieter Kirchner Schlosser in einer Zuckerfabrik und seine Mansardenwohnung im Hildesheimer Stadtteil Himmelsthür mag dem entsprechen, was sich auch Kirsten aus Leipzig unter dem gewünschten „gemütlichen Heim für das harmonische gemeinsame Leben“ vorstellt: Unter zwei goldgerahmten Öldrucken ein Couchtisch mit einer Polstergruppe, über dem Sessel, in dem Ulli R. sitzt, hängt vor der dunklen Schrankwand ein großes Lebkuchenherz mit dem Schriftzug „Nur Du“. Weiter vorn im Wohnzimmer am Eßtisch sieht Frau Kirchner derweil mit einem älteren Mann mit Stirnglatze eine andere DDR-Frauenkartei durch. Die schweigsame Frau Kirchner ist 26, der schlanke Dieter Kirchner 51 Jahre alt, sieht aber mit seiner blonden Dauerwelle, dem Oberlippenbärtchen und der Metallrandbrille aus wie ein Vierzigjähriger. „Meine Frau tanzt mir immer auf der Nase herum“, sagt er. „Erst hat sie mir versprochen, zehn Pfund abzunehmen und dann zehn Pfund zugenommen.“ Er fährt seine Frau auch schon mal an: „Das mit der Kartei kannst du doch auch schon.“

Die Eheleute glauben an Astrologie. „Ich bin eine Quasselstrippe, weil ich ein Widder bin“, sagt Dieter Kircher. Das stellt er unter Beweis, wenn das Telefon klingelt, und das klingelt dauernd: „Bald habe ich 10.000 Frauen aus der DDR in meiner Kartei. Jeden Tag bekomme ich mindesten 50 neue Briefe von drüben“, beginnt er immer wieder die Telefonate. „Ne Dreißigjährige wollen Sie haben? Die habe ich massenweise. Sie bekommen dann zwei Adressen und fahren am besten einfach los in die DDR. Wenn die eine nicht zu Hause ist, können sie dann gleich zur nächsten weiterfahren.“ Nur die Bauern, die anrufen, muß der Frauenvermitller enttäuschen: „Bei Landwirten denken die Frauen immer gleich an Schweinestall und Kühe Misten, auch wenn das heute bei Ihnen gar nicht mehr so ist“, ruft er ins Telefon. „Nur eine habe ich hier, die hat in der DDR Rindermast studiert.“ Auch Arbeitslose weist Dieter Kirchner von vornherein ab.

Der Kunde Ulli R., der eine Karteikarte nach der anderen durchsieht, findet derweil „die Fotos nicht besonders gut“, und vor allem stört ihn, daß fast alle Frauen in seinem Alter ein oder zwei Kinder haben. Ob die Sekretärin aus Ost -Berlin, die Zahnärztin aus Magdeburg, die Elektromonteurin oder die Schuhfacharbeiterin - alle haben in jungen Jahren bereits eine Ehe hinter sich. Deswegen greift Ulli R. nun zu dem Kasten mit den 18- bis 23jährigen, obwohl er hierher gekommen ist, „weil man in Kneipen und Disko nur ganz junge Frauen kennenlernen kann“. Seit fünf Jahren ist er geschieden. „Besonders das Problem Aids hat sich negativ auf die Partnersuche ausgewirkt“, sagt er. „Ein Jahr lang hatte er eine sehr junge Freundin. Vorher hatte ich 5.000 DM Plus auf dem Konto, hinterher 5.000 Miese.“ Weil Dieter Kirchner so preiswert ist und soviele Frauen in der Kartei hat, will Ulli R. dann doch unterschreiben. Vorher war er bei einer anderen Partnervermittlung, da sollte er allein 500 DM Beratungsgebühr zahlen, „bevor ich überhaupt ein Foto zu Gesicht bekam“. Auch der DDR-Frauenvermittler kann schon auf Erfahrungen im Partnergewerbe zurückblicken. „Ich habe hier in Hildesheim schon mal einen Single-Club, den Freizeitkreis mit Herz, gegründet. Aber da bin ich am Ende auf 8.500 Mark Verlust hängen geblieben“, sagt er. Jetzt hat er allein an den 15 DDR-Frauen, die er bisher an bundeutsche Männer vermittelt hat, schon 7.500 DM verdient. Dieter Kirchner kann sich gut vorstellen, bald seinen Beruf als Schlosser an den Nagel zu hängen und nur noch bundesdeutschen Männern „Frauen von drüben“ in die Wohnung zu holen.