CDU im Aufwind - aber keiner merkt's

Kohl und Rühe reden sich mit saarländischen Besonderheiten um die Niederlage herum / Töpfer läßt durchblicken, daß das Saarland wohl doch ohne ihn auskommen muß / Er soll Minister bleiben  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Was eine „Geißler-Schneise“ sei, so behauptete in der Wahlnacht der CDU-Generalsekretär Volker Rühe frech, wisse er nicht; ob er dieselbe fortsetze, könne er deshalb nicht beantworten. Das böse Wort, mit der die Parteirechte Rühes Vorgänger die Verantwortung für die um jeweils fünf Prozent liegenden Verluste der Union in allen Landtagswahlen der letzten Jahre anhängte, wollte Rühe nicht auf sich sitzen lassen. Der Generalsekretär tat die herbe Schlappe als „zutiefst regionales Ergebnis“ ab; bundespolitisch sei die CDU mit „wachsender Zustimmung“ im „Aufwind“, betonte er fast trotzig.

Der Generalsekretär war am Wahlabend der einzige Spitzenfunktionär, der sich überhaupt in die Parteizentrale zu den Journalisten gewagt hatte: Wer kommentiert schon gerne schlechte Botschaften? Nach der gestrigen Präsidiumssitzung vertrat auch der Parteivorsitzende Helmut Kohl die Linie der „saarspezifischen“, „psychologisch“ besonderen Situation als Erklärungsmuster. Die Frage der Kanzlerkandidatur und die „Emotionalisierungwelle“ in der Aussiedlerfrage habe für Lafontaine Gewinn gebracht, erklärte sich Kohl die „bittere Wahlniederlage“. Hinter den Saarspezifika verschwand auch die Frage, warum trotz fünfmaligem Einsatz des Kanzlers vor Ort die CDU sogar das miserable Ergebnis der letztjährigen Europawahl - als die CDU im Stimmungstief war - noch um ein Prozent unterbot. Lafontaine habe die wirtschaftliche Situation auf Bundesebene, die sich auch im Saarland ausgewirkt habe, als seine eigene Leistung ausgeben können, maulte Kohl.

Weder die Deutschlandpolitik noch die Umweltpolitik habe im Saarland eine entscheidende Rolle gespielt, hatte in der Wahlnacht bereits Volker Rühe analysiert: Für ihn ist es vor allem eine „Volksabstimmung“ über die Kanzlerkandidatur gewesen. Eine Testwahl für die kommenden Urnengänge könnte daraus nicht gemacht werden, übte sich der CDU-General in Schadensbegrenzung: Auf Bundesebene sei der Königstitel ungleich schwieriger zu erlangen als an der Saar. Das Saarland habe die „Größenordnung eines kleineren Regierungsbezirks Bayerns“, hielt in der Wahlnacht auch der CSU-Chef Waigel der Testwahl-These entgegen.

Wichtigste Aufgabe für das Präsidium, das gestern eine Stunde später als geplant vor die Presse trat, ist es, eine Antwort auf Lafontaines Populismus zur Zuzugssperre und den sozialen Leistungen für Aus- und Übersiedler zu finden. Die Äußerungen des saarländischen Ministerpräsidenten seien „nicht unpopulär“ gewesen, doch die CDU werde aus „christlicher Verantwortung“ in „keinen Wettlauf eintreten, wer die Übersiedler am schlechtesten behandelt“, sagte Rühe. Dazu sei der „Preis zu hoch“, fügte er hinzu. Allerdings werde sich die CDU bemühen, in der Gesetzgebung „Ungereimtheiten abzubauen“. Man werde der von Lafontaine zu erwartenden „Emotionalisierungskampagne“ entgegenzuwirken wissen, verkündete Parteichef Kohl.

Daß der Kanzler Zweifel am „Aufwind“ der Union hat, machte aber eine Bemerkung Kohls in der Wahlnacht deutlich: In Fragen der Deutschlandpolitik „kann nicht die Rede davon sein, daß das Thema von den Menschen voll erfaßt wird“.

Nach der Präsidiumssitzung der CDU räumte auch Umweltminister Klaus Töpfer die „herbe Wahlniederlage“ ein. Töpfer gab zu, daß Lafontaine mit seiner Position zur Zuzugsbeschränkung „vorhandene Sorgen der Bevölkerung aufgegriffen hat“. Der erst kürzlich ins Saarland gezogene Wahlverlierer deutete an, daß er sein Landtagsmandat in Saarbrücken nicht wahrnehmen wird. Das Saarland müsse sowohl auf Landesebene als auch auf der Bundesebene „optimal vertreten“ werden, drückte sich Töpfer in einer wortreichen Erklärung um ein klares Wort. Zu Hilfe kam ihm der Kanzler. Es sei sein „dringender Wunsch“, daß Töpfer Minister bleibe, betonte Helmut Kohl.