Beelitzer Truppengelände als Flughafen-Bauplatz?

■ Bis April will der Vize-Umweltminister der DDR, Succow, wertvolle Landschaften im Umland retten / Motorboote will er verbieten

taz: Herr Succow, Sie sind jetzt knapp zwei Wochen im Amt. Was ist der Schwerpunkt ihrer Arbeit?

Succow: Wenn die große Landspekulation losgeht, dann habe ich die Sorge, daß wir die Landschaften nicht mehr retten können. Deshalb müssen wir jetzt ganz schnell so viele Landschaften wie möglich sichern. Der erste Schwerpunkt ist deshalb das Projekt, vier Nationalparks auszuweisen. Einer ist beispielsweise am Ostufer der Müritz geplant, bis rauf nach Neustrelitz und Fürstenberg nördlich von Berlin. Zweitens werden wir im März beginnen, den staatlichen Naturschutz auszubauen, mit zusätzlichen Planstellen in den Kreisen und Bezirken. Bisher gab es dafür in den meisten Kreisen nur eine Planstelle, in Kombination mit der Jagd. Und die haben sich natürlich im Wesentlichen nur um die Jagd gekümmert, weil das für die Privilegierten wichtig war. Und ein dritter Schwerpunkt ist die Frage, wie wir an der Grenze, auch an der Grenze zu West-Berlin möglichst viel Naturraum erhalten können. Ich treffe mich jetzt mit Vertretern der direkt an Berlin grenzenden Landkreise, und ich hoffe, daß wir dann nächste Woche zusammen mit Westberliner Vertretern beraten können.

Sie wollen im Berliner Umland eine Reihe von Landschaftsschutzgebieten entwickeln. Bis wann wollen Sie das schaffen?

Wir können schnell vorankommen. Unsere guten Gebiete kennen wir ja: Der ganze Potsdamer Raum, die Schorfheide, die Seen um Königs Wusterhausen. Aber wir haben nur wenig Planungskapazität. Zehn bis 15 Planer versprach mir Bundesumweltminister Töpfer auszuleihen. Gemeinsam mit unseren Leuten, die die Landschaft kennen, müßten wir es schaffen, bis April wesentliche Gebiete zu sichern. Sonst werden wir vom Kommerz überrollt.

Kriegen Sie nicht Schwierigkeiten mit Ihrem Tourismusminister, dem die westlichen Hotelketten schon auf den Füßen stehen?

Mit ihm - er ist auch LDPD-Mitglied - gibt es glücklicherweise einen guten Konsens. Er und ich sind übereingekommen, daß zwischen uns beiden alles abgestimmt wird, bevor eine Fläche freigegeben wird. Der Tourismusminister legt selbst größten Wert darauf, daß wir alle großen Naturparkgebiete bis April festlegen. Dann weiß er: Hier kann eine französische Hotelkette bauen, hier kann Japan hin, dort die BRD.

Bisher war es in der DDR in Landschaftsschutzgebieten sogar erlaubt, Mülldeponien zu bauen - zum Beispiel in Vorketzin. Soll das so weitergehen?

Nein, das darf alles nicht sein. Vorrang in Landschaftsschutzgebieten hat die Erholung und dazwischen wird es strenger geschützte Naturschutzgebiete geben. Deshalb muß es in diesen Gebieten - außerhalb geschlossener Ortschaften - ein Bauverbot geben und keine intensive Landwirtschaft mehr. Ernähren kann sich dieses kleine Land trotzdem gut. Exporte, beispielsweise von Fleisch, muß es nicht mehr geben; die sind uneffektiv und unökologisch, zumal wenn sie aus den industriemäßig produzierenden „Tieranlagen“ stammen.

In West-Berlin werden zur Zeit schon eine ganze Reihe von Projekten diskutiert, die im Umland verwirklicht werden sollen, zum Beispiel ein neuer Großflughafen südlich der Stadt. Was sagen Sie dazu?

Das wird es geben, das geht gar nicht anders. Uns kommt es nur darauf an, daß wir dafür keine hochwertige Landschaft opfern müssen sondern möglichst einen der Truppenübungsplätze nehmen können, die jetzt aufgegeben werden. Am Donnerstag hat unser Verteidigungsminister im Ministerrat ja verkündet, daß er unserem Ministerium das Recht einräumt, Truppenübungsgebiete in Hinblick auf eine zukünftige Nutzung zu untersuchen und zu bewerten.

Haben Sie einen speziellen Truppenübungsplatz als Flughafengelände im Auge?

Die Sowjetarmee und auch unsere Armee haben riesige Gelände, zum Beispiel in Beelitz oder Oranienburg. Das sind ja Landschaften, die zerstört sind, die sich wirklich anbieten, nicht nur für Flughäfen oder Mülldeponien, sondern auch als Trinkwasserneubildungsgebiete und Erholungslandschaften.

Ein Angriff, der Ihren Seen bevorsteht, ist der der Westberliner Motorboote. Wollen Sie dagegen etwas unternehmen?

Das haben wir bei uns bisher nicht bewältigt, weil der Motorboot-Besitz weitgehend ein Vorrecht von Privilegierten war. Jetzt können wir es eindämmen, indem wir wertvolle Seen und Flüsse schließen.

Welche?

Ich denke, daß wir auf allen Seen und Flüsse mit natürlichen Flußläufen nur noch Segeln und Rudern zulassen sollten. Wenn es nicht anders geht und sie unbedingt müssen, sollen sich die Motorbootfahrer auf den Kanälen abreagieren. Ich denke, das trägt auch der überwiegende Teil der Bevölkerung mit.

Herr Succow, werden Sie nach den Wahlen am 18. März Ihre Pläne überhaupt noch weiterverfolgen können?

Ich gehe davon aus, daß es eine Koalitionsregierung geben wird. Auch die neuen Kräfte werden die stellvertretenden Minister zum Teil übernehmen, so weit Fachkompetenz vorhanden ist.

Interview: hmt