HUNGERSTREIK DER GRAPO-GEFANGENEN IN SPANIEN

■ Interview mit Angehörigen der Gefangenen aus GRAPO und PCE(r) vom 14.1.90

RDL: Wie lange habt ihr schon den Sitz des Roten Kreuzes in Madrid besetzt?

Nun, den Sitz des Roten Kreuzes seit dem 22. Dezember.

Könnt ihr uns was dazu sagen, warum ihr diese Aktion macht und was eure Forderungen sind?

Wir haben uns hier zur Unterstützung des Kampfes der Gefangenen eingeschlossen, die seit dem 30. November im Hungerstreik sind. Im September 1989 gab es schon einen Hungerstreik von sieben Gefangenen. Von Vertretern der Gefängnisbehörde (Subinspektorin Angeles Granados), der zuständigen Richterin Manuela Carmena und dem Direktor des Gefängniskrankenhauses wurde ihnen versprochen, daß sie in einem einzigen Gefängnis unter menschenwürdigen Bedingungen zusammengelegt werden. Nachdem jedoch die Wahlen vorbei waren, wurden diese Zusagen nicht erfüllt. Statt dessen wurden die Gefangenen auseinandergerisssen. Jeder in ein anderes Gefängnis. Daraufhin sind alle in den Hungerstreik getreten. Zur Zeit sind es 56 Gefangene. Übrigens wurde die Zusage damals auch noch vom Generaldirektor der Gefängnisbehörde ratifiziert und gegenüber Fernando Salas, dem Präsidenten der „Vereinigung gegen die Folter“, übermittelt.

Was sind die Forderungen der Gefangenen?

Die Zusammenlegung von allen in einem einzigen Gefängnis und menschenwürdige Haftbedingungen.

Welche Reaktionen gibt es seitens der Verantwortlichen beim Roten Kreuz?

Vom Roten Kreuz können die hier in Spanien nichts machen, weil die Regierung ihnen erst die Erlaubnis geben muß, wenn sie intervenieren wollen. Weil es hier in Spanien zur Zeit kein spezielles Gesetz gibt, wie das beim Antiterrorismusgesetz der Fall war. Als es das noch gab, hatten sie das Recht zu intervenieren, wenn es um Folter ging oder um Besuche in den Gefängnissen. Also bei allem, was die Welt der Gefängnisse betraf. Da es dieses Gesetz nicht mehr gibt, können sie nicht mehr direkt intervenieren, sondern brauchen die Erlaubnis der Regierung. Und die Regierung wäscht ihre Hände in Unschuld. Sie sagt, daß sie keine Zugeständnisse machen will. Sie schiebt im Augenblick die Schuld für das, was mit den Gefangenen geschieht, den zuständigen Haftrichtern zu, die die Zwangsernährung nicht erlauben.

Wie ist das? Heute ist es dem Roten Kreuz verboten, die Gefängnisse zu besuchen?

Nun, früher war Spanien das einzige Land, das ein Antiterrorismusgesetz hatte. Da es ein solches Sondergesetz gab, konnte das Rote Kreuz intervenieren. Inzwischen ist dieses Gesetz in den Rahmen des normalen Strafgesetzes übernommen worden, und jetzt haben sie keine Möglichkeit mehr zu intervenieren.

Aber wir haben die Information, daß es 1981 ein Abkommen zwischen dem Roten Kreuz und der spanischen Regierung gegeben hat.

Ja, das waren die Vereinbarungen, die es bei dem damaligen Hungerstreik gegeben hat, als ein Gefangener starb. Das Rote Kreuz hat damals als Garant der Vereinbarungen die Verantwortung für die Einhaltung übernommen, weil damals noch dieses Sondergesetz existierte.

Übrigens wird nächsten Dienstag ein Vertreter des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes aus Genf kommen. Er wird kommen, aber wir wissen nicht, bis zu welchem Punkt er intervenieren kann.

Außerdem hat der „Verteidiger des Volkes“, Jose Maria Gil Robles (eine Art Petitionsausschuß; Anm. d.Red.), uns gesagt, daß er nichts machen kann, weil das eine Angelegenheit des Staates ist. Es hat allerdings Interventionen von den Richtern, von der Gruppe der jungen Rechtsanwälte in Madrid, von der Organisation zum Schutz der Menschenrechte, von den Ärzten im Gesundheitswesen gegeben. Sie haben sich gegen die Zwangsernährung ausgesprochen und die rigide Haltung der Regierung kritisiert, weil die Gefangenen ja nichts verlangen, was nicht erfüllbar wäre. Sie verlangen ja nicht, freigelassen zu werden, sondern lediglich, zusammen zu sein.

Auch der Bischof von Madrid hat heute ebenfalls die Haltung der Regierung kritisiert. Das kam heute in der Presse. Aber klar, das sind alles Interventionen auf einem quasi privaten Hintergrund, weil sie alle keine Möglichkeit haben, direkten Einfluß zu nehmen. Aber sie versuchen zumindest, einen gewissen Druck zu schaffen.

Es hat auch mehrere Demonstrationen gegeben aus Solidarität mit den Gefangenen. In Pamplona, Bilbao, San Sebastian, Vitoria und Madrid.

Könnt Ihr uns was zur Zwangsernährung sagen? Mit welchen Methoden wird sie durchgeführt? Gibt es Reaktionen seitens der Ärzte und ihrer Berufsorganisationen dagegen?

Zur Zeit werden die Gefangenen, die zwangsernährt werden, mit Händen und Füßen ans Bett gefesselt. Das geschieht in den Fällen, wo das die zuständigen Richter erlauben. Da erfolgt die Zwangsernährung durch Infusionen. Dafür werden die Gefangenen mit Drogen in einen Tiefschlaf versetzt. Es gibt jedoch vier Richter, in Valladolid, in Bilbao und in zwei anderen Städten, die die Zwangsernährung nicht erlauben. Die Regierung sagt nun, daß diejenigen Richter, die sie verbieten, am Selbstmord der Gefangenen mitarbeiten und daß dies strafrechtlich verfolgt werden kann, das heißt diese Richter werden gegenwärtig kriminalisiert.

In welchen Krankenhäusern wird zwangsernährt?

In Saragoza, in Guadalajara, in Logrono. In Guadalajara hat der zuständige Arzt versichert, daß er mit der Zwangsernährung beginnt, sobald Gefangene das Bewußtsein verlieren.

Gibt es Reaktionen von politischen oder humanitären Organisationen?

Wie ich schon gesagt habe, hat die Organisation der Ärzte im Gesundheitswesen eine Erklärung herausgegeben. Sie sagen, daß jeder Gefangene, solange er bei Bewußtsein ist, erwachsen ist und über seinen eigenen Willen verfügt, das Recht hat, selbst zu entscheiden, ob er ernährt werden will oder nicht. Auch die Menschenrechtsorganisation und die Organisation der Richter, auch die Beamtengewerkschaft von der UGT und die „Comisiones obreras“ (Arbeiterkommissionen) haben das öffentlich erklärt. Manche Beamte weigern sich, die Gefangenen ans Bett zu fesseln. Es mußten Gefängniswärter und Polizisten in die Krankenhäuser geschafft werden.

Wir wollen noch was anderes sagen. Einer der Gefangenen, Manuel Parodi, hat sich im Gefängnis von Carabanchel geweigert, eine Blutuntersuchung durchführen zu lassen. Er wurde von acht Beamten zusammengeschlagen. Außerdem wird die Kommunikation mit den Gefangenen erschwert. Die Besuche finden unter offenem Gebrauch von Tonbandaufnahmen statt, so, daß der Beamte vor den Augen der Besucher das Band wechselt. Die Briefe an die Gefangenen werden durchgängig geöffnet, wenn sie überhaupt ankommen. Telegramme dauern drei Monate.

Bestehen Kontaktmöglichkeiten zwischen den Gefangenen in den Krankenhäusern und den Angehörigen?

Ja, der Kontakt ist möglich, wenn auch unter Schwierigkeiten. Wir brauchen eine extra Genehmigung vom Richter. Noch ein Detail: Im Fall eines Gefangenen, der ins Krankenhaus gebracht werden sollte, gab es auf der Straße einen Stau. Das dauerte eineinviertel Stunde. Die Polizisten haben solange die Tür des Krankenwagens geöffnet und dem Gefangenen die Decke weggenommen, damit er in der Kälte liegen mußte. Man kann sich vorstellen, was das in so einem Zustand heißt.

Noch was: Am 31. Dezember hat ein völlig betrunkener Polizist einem Gefangenen die Pistole an den Kopf gehalten und gedroht, ihn zu erschießen. Wir bitten euch, alle diese Informationen zu verbreiten.

Wir wollen unsere Solidarität mit eurem Kampf ausdrücken und grüßen alle Angehörigen und die Gefangenen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Radio Dreyeckland Freiburg