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Auch neu im Kino

■ „Let's get lost“ mit Chet Baker

„Film ist, dem Tod bei der Arbeit zuzuschauen“ lautet einer der rätselhaften Sätze von Jean-Luc Godard über das Kino; und genau darum geht es in Bruce Webers filmischer Biographie des Jazztrompeters Chet Baker. „Wie ein griechischer Gott“ erschien er seinem Publikum in den fünfziger Jahren. So beschreibt es seine damalige Freundin, und diese Faszination strahlt auch immer noch aus den Photos, den Spielfilmausschnitten oder Konzertaufnahmen, in denen Baker sich so cool und schön selbst stilisierte, wie es sonst nur James Dean konnte. Aber Baker ist nicht früh gestorben, sondern vor zwei Jahren nach einem selbstzerstörerischen Leben, und der Chet Baker, den Bruce Weber am Strand, im Auto mit schönen Mädchen oder bei Aufnahmen im Studio zeigt, ist ein erschreckend alter, verlebter Mann mit einem Gesicht voller Falten, der manchmal nur noch krank und todmüde dasitzt.

Doch der Film ist kein trauriger Schwanengesang geworden, sondern Webers sehr persöhnliche Liebeserklärung an Chet Baker und seine Musik. Er läßt die Bilder tanzen, genau im Takt mit der lyrisch melancholischen Trompete Chets oder seiner zart, gebrechlichen Stimme, die fast immer zu hören sind. Alles ist so stilisiert, daß der Film kaum noch als Dokumentarfilm bezeichnet werden kann. Auch die Interviews mit Chets ehemaligen Freundinnen und Frauen, Musikern und anderen Zeitzeugen sind gefilmt oder geschnitten wie Jazz -Improvisationen. Und Chet Baker stilisiert sich in den neuen Aufnahmen noch genauso perfekt wie damals. Neben den kalifornischen Teenagern wirkt er nicht mehr alt, sondern ist plötzlich wie einer von ihnen; in solchen Szenen merkt man, daß er nie ganz erwachsen geworden ist.

Von den Katastrophen in seinem Leben erzählt er so unterhaltsam und auf Wirkung bedacht, daß er immer der Held bleibt, auch wenn er im Gefängnis landete oder ihm alle Zähne eingeschlagen wurden. Bei den Interviews mit seinen Frauen, der Mutter oder den Kindern kommt man den Widersprüchen und seinen Lügen leicht auf die Schliche, aber es bleibt dieser faszinierende Erzähler, der seine Legende zusammenbastelt. Und der sich dabei so ungeschützt offenbart, gerade weil er immer noch die Rolle seines Lebens spielt.

„I'm not dead yet“ anwortet Chet Baker gegen Ende des Films genervt einem aufdringlichen Fan - aber die für „Lets get lost“ aufgenommenen Titel sind Bakers letzte Aufnahmen, und den fertigen Film hat er nicht mehr sehen können. Wilfried Hippe

Schauburg 23.00 Uhr

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