Brückenschlag

■ Zur Einigung zwischen der der NRW-Regierung und den Roma

Die Vereinbarung zwischen den am „Bettelmarsch“ beteiligten Roma und der Landesregierung ist ein Sieg der Vernunft. Möglich gemacht wird eine praktische, humane Lösung, die einen Weg weist zwischen dem reaktionären „Ausländer-raus„ -Geschrei und der verlogenen, unterschiedslosen „Grenzen -auf„-Parole vieler Linker. Am Ende dürfte eine Regelung herauskommen, die den heimat- und staatenlosen Roma - und dazu zählen sich die allermeisten - in Nordrhein-Westfalen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht gewährt. Eine solche Lösung stünde gerade angesichts des Terrors und des Massenmordes, der von den Nazis an den Roma und Sinti verübt wurde, der Bundesrepublik insgesamt gut an. Dabei ist das Verlangen nach einem besonderen Aufenthaltsstatus alles andere als neu. Schon im Mai 1984 forderte das Europaparlament in einer Entschließung „zur Lage der Zigeuner“ die Mitgliedsländer auf, zum Beispiel Wandervisa zu gewähren. Sechs Jahre danach sind solche Regelungen für den Bund immer noch nicht in Sicht.

Zwar trifft es zu, daß ein einzelnes Bundesland die Probleme nicht stellvertretend lösen kann, aber mehr zu tun, als nur mit den Finger auf Bonn zu weisen, steht jedem Land frei. Der jetzt in NRW beschrittene Weg hat auf seiten der Regierung zwei Väter: Schnoor und Rau. Die Mutterschaft kommt aber ausschließlich jenen 1.500 Roma zu, die seit dem 6. Januar durch ihren „Bettelmarsch“ für den nötigen Druck sorgten. Ohne diesen zähen und klugen öffentlichen Protest hätte sich auch in NRW in dieser Frage nichts bewegt. Bis zum Zeitpunkt des „Bettelmarsches“ hat Schnoor im Kabinett für die jetzt eingeschlagene Linie vergeblich gefochten. Nur im Fall der verfolgten kurdischen Yeziden und der christlichen Türken folgte das Kabinett im Dezember letzten Jahres dem Innenminister.

Daß die gesamte Regierung das jetzt vorgesehene Verfahren mitträgt, liegt an zwei Dingen: Erstens wird den Bleiberechtgegnern um Arbeitsminister Hermann Heinemann die Angst vor einem massenhaft Nachzug durch die „Einzelfallregelung“ genommen, und zweitens hofft die Regierung, daß durch die Beteiligung der evangelischen Kirche und der Wohlfahrtsverbände am Einigungsprozeß mit den Roma die Umsetzung des Aufenthaltsrechtes vor Ort leichter wird. Wer das Wort von der „multikulturellen Gesellschaft“ tatsächlich ernst nimmt, ist jetzt gefordert, sich vor Ort einzumischen und sich dem immer gleichen Stammtischgegröle über die Zigeuner entgegenzustellen.

Walter Jakobs