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Kohl weist Angst Israels vor Großdeutschland zurück

■ Kontroverse zwischen Bundeskanzler Kohl und dem israelischen Regierungschef Schamir

Bonn (taz) - Die mögliche Vereinigung der beiden deutschen Staaten hat eine heftige Kontroverse zwischen der Bundesregierung und Israel ausgelöst. Wie erst gestern bekannt wurde, gab es schon Ende vergangenen Jahres einen harschen Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Kohl und dem israelischen Ministerpräsidenten Schamir zu diesem Thema. Kohl hatte Äußerungen Schamirs zurückgewiesen, wonach von einem wiedervereinigten Deutschland eine „tödliche Gefahr für die Juden ausgehen könne. Jedermann wisse, was die deutschen als einiges und starkes Volk den Juden angetan hätten. Die große Mehrheit des deutschen Volkes entschied, Millionen des jüdischen Volkes zu töten, und jeder von uns kann sich denken, daß sie, sollten sie wieder die Gelegenheit haben und das stärkste Land in Europa und vielleicht der Welt sein, es wieder versuchen.“ Daraufhin hatte Kohl an Schamir geschrieben, er empfinde diese Worte als Belastung der Beziehungen zwischen der BRD und Israel. Die Erinnerung an die NS-Verbrechen gehörten zum deutschen Selbstverständnis. Doch entschieden müßte er sich gegen einen Vergleich mit dem Deutschland der Nazi-Zeit verwahren. Schamir antwortete, er habe als Ministerpräsident jenes Staates, der für die Überlebenden des Holocaust zur Heimat geworden sei, die Pflicht, die Zweifel der Israelis auszusprechen und ihre Ängste zu äußern. Natürlich begrüße auch Israel das Niederreißen von Mauern und die Ausbreitung der Demokratie. Doch niemand könne sagen, „was das Endergebnis der gegenwärtigen Welle von Enthusiasmus und Emotion sein wird, am wenigsten das jüdische Volk“.

Schamir schrieb außerdem von einer historischen Erfahrung mit Deutschland, „die sich auf immer in unserem Gedächtnis eingeprägt hat. Wir können die Bilder der grölenden Massen nicht vergessen und das, was darauf folgte. Uns plagt die Erinnerung an die Juden, die in den Massakern des Holocaust während der vierziger Jahre umkamen.“ Allerdings fügte Schamir hinzu, die unterschiedlichen Ansichten könnten nicht so interpretiert werden, als sollten sie die „besonderen Beziehungen“ zwischen Israel und der BRD stören. „Empörend“ und „unmöglich“ findet Annemarie Renger, Vorsitzende der Israelisch-Deutschen Parlamentariergesellschaft und Bundestagsvizepräsidentin, die Äußerungen Schamirs.

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