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Polnisch-Deutsche Frauenfragen

■ Delegation aus Gdansk besuchte Frauen-Gleichstellungsstelle

Die PolInnen wählen ab April 1990 ihre KommunalpolitikerInnen selbst. Mitglieder der oppositionellen Bürgerkomitees (insbesondere der Solidarnosc) bereiten sich deshalb darauf vor, hauptamtliche Aufgaben in der Verwaltung zu übernehmen. Die grünennahe „Heinrich-Böll-Stiftung“ will ihnen behilflich sein und lud 26 Mitglieder der Bürgerkomitees zu einer kommunalpolitischen Bildungsreise in die Bundesrepublik ein. Die Bremer Grünen haben es übernommen, sechs Delegationsmitglieder aus Gdansk in die hiesige Kommunalpolitik einzuführen.

Gestern nun besuchten drei Bürgerkomitee-Mitglieder die

Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Darunter auch Krystyna Koolymowska. Rechtsanwältin, Vorsitzende der Kommission für Wirtschaft im Bürgerkomitee ihrer Stadt - und einzige Frau unter 25 Delegationsmännern.

Mit ihr bei der Gleichstellungsstelle waren auch zwei der Delegationsmänner. Bei etlichen Sachfragen entspannen sich unter den PolInnen kleine männlich-weibliche Dispute, beim Thema Abtreibung schüttelte Krystyna Koolymowska gar über die Argumentatin ihres Kollegen den Kopf - halb genervt, halb nachsichtig lächelnd. Den deutschen Gastge

berinnen war schnell klar: Die Frauenfrage, sie stellt sich auch in Polen.

Falls eine je Klischeevorstellungen im Kopf hatte von der fraulich-katholischen, tüchtigen und kinderreichen Polin, die sich ihrem häuslichen Patriarchen widerspruchslos vorm Kochtopf beugt, spätestens dieses Gespräch machte den Vorurteilen ein Ende.

Krystyna Koolymowska erläuterte die Situation: Aufgrund der niedrigen Gehälter der Männer sind die Frauen seit Jahrzehnten darauf angewiesen, erwerbstätig zu sein. „Doch es gibt Frauen, die lieber nicht berufstätig wären.“ Die Belastung der Frauen mit der Organisation des Haushalts und

der Kinderbetreuung ist höher als die der Männer, zumal es zu wenig Kindergärten und Krabbelgruppen gibt. Nachteilig für die Frauen hat sich auch ausgewirkt, daß manchen Berufe „feminisiert“ wurden: „Das verlangte gute Ausbildung und wurde schlecht bezahlt.“ Gegenwärtig würden hunderte, tausende Polinnen erwerbslos, weil bei den Massenentlassungen vorrangig Frauen auf die Straße gesetzt würden - mit dem Argument, ihr Beitrag zum Familieneinkommen sei geringer als der Beitrag der Männer. Koolymowska: „Im Moment ist das Leben der polnischen Frau sehr schwer geworden.“ Die Organisation des All

tags, das Anstehen nach Lebensmitteln, die Armut lasteten auf den Frauen. In den Bürger komitees seien oft mehr Frauen als Männer aktiv. Sie selbst habe sich auch schon darüber gewundert, wie es angehen könne, daß angesichts dieses zahlreichen weiblichen Engagements der Frauenanteil in der Auslandsdelegation so gering sei.

Zum Thema „Abteibung“ berichtete Koolymowska, es gebe noch immer die Möglichkeit, legal Schwangerschaftsabbrüche vornehmen zu lassen. Doch die Kirche wettere gegen diese „Sünde“, genauso wie gegen Verhütungsmittel. Schon zwei Mal sei im Parlament versucht

worden, die Abtreibung zu verbieten, doch das sei abgeschmettert worden. Frauen hätten sich gegen die Kampagne der Kirche gestellt.

Ihren Chauvinismus hatten die beiden polnischen Männer jedoch nicht zu Hause gelassen, einer legte sich mit der Landesfrauenbeauftragten Ursula Kerstein an, nachdem diese das Problem „Gewalt gegen Frauen“ angesprochen hatte. Der Pole konnte sich einen „Scherz“ nicht verkneifen: „Wenn es um eheliche Gewalt geht, müßten eigentlich die Männer eine Organisation gründen.“ Schließlich hätten im Haushalt die Frauen das Sagen.

Barbara Debus

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