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Rumänien-betr.: "Demokratisierung in Rumänien stockt", "Die Front als neues Machtinstrument", taz vom 26.1.90

betr.: „Demokratisierung in

Rumänien stockt“, „Die Front als neues Machtinstrument“,

taz vom 26.1.90

(...) Durchaus nachvollziehbar und begrüßenswert war zu Lebzeiten des großen Führers die Kritik an dem Zustand der Menschenrechte beziehungsweise das Einklagen derselbigen. Dieser Aufgabe widmeten sich in der taz vor allem die in Berlin lebenden rumänischen Schriftsteller Herta Müller, Richard Wagner und William Totok.

Bei allem Respekt vor deren persönlichem Schicksal und Engagement finde ich es heute an der Zeit, die anti -kommunistische Rhetorik, die sich immer wieder in den Artikeln der oben genannten und anderer wiederfindet, beiseite zu schieben. Angesichts des „stop-and-go“ der Reformbewegung in der DDR - ganz zu schweigen von Polen und Ungarn - finde ich es geradezu infam, mit dem Demokratie -Fähnchen in der einen und dem Scheckheft in der anderen Hand den schleppenden Neuaufbau in Rumänien anzuprangern und dessen Ursache in der kommunistisch unterwanderten (oder dominierten) Front zur Nationalen Rettung zu suchen.

Ich möchte damit der Interimsregierung keinen Persilschein ausstellen. Ganz im Gegenteil deutet alles darauf hin, daß die Front sich im Labyrinth der notwendigen Sofortmaßnahmen verfahren hat und selber zur Zeit nur vor sich hinwurschteln kann. Aber sollten nicht Berichterstatter mit jahrzehntelanger Erfahrung der rumänischen Verhältnisse die sich darüberhinaus auch noch zum linken Spektrum der Bundesrepublik zählen - mehr Verständnis für eine Perestroika in einem Land aufbringen, das zum ersten Mal in seiner Geschichte das Wort Demokratie mit Inhalt füllen will. Kommunismus ist nicht gleich Kommunismus - wie wir gerade in letzter Zeit erfahren durften.

(...) Die Front zur Nationalen Rettung ist ein Konglomerat verschiedener politischer Anschauungen. Darunter - wie nicht anders zu erwarten - befinden sich natürlich auch KommunistInnen. Und möglicherweise suchen diese „Ewiggestrigen“ eine gute Startposition für kommende Machtkämpfe. Das darf doch aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Chaos und teilweise anarchistische Zustände das Verwaltungs-, Wirtschafts- und Arbeitsleben in Rumänien bestimmen. Warum sollen KommunistInnen, die ihren Kopf unter Ceausescu riskiert haben, nicht genauso sich am Wiederaufbau beteiligen können wie andere?

Um auf den Punkt zu kommen: Ich würde es begrüßen, wenn es in Zukunft den hiesigen BerichterstatterInnen wie den in Rumänien weilenden gelänge, Reportagen, Features, Interviews über „Rumänische Schwierigkeiten mit der Demokratie“ (R.Wagner) zu bringen, die das Ausmaß der neu zu errichtenden Strukturen verdeutlicht und über die Hintergründe manch einer unverständlichen Entwicklung aufklärt. Zulange haben Mosaiksteinchen das Informationsgerüst über Rumänien bestimmt. (...)

Lukas Philippi, Berlin

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