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Panzer und Luftwaffe im Kosovo eingesetzt

■ Jugoslawische Armeeinheiten schritten erstmals bei den Demonstrationen ein / Im Staatspräsidium hatten Serbien und Montenegro auf die Intervention gedrängt / Seit Samstag 19 Tote und 100 Verletzte / Demonstranten fordern Abschaffung des kommunistischen Systems

Belgrad (afp/ap) - Die jugoslawische Regierung hat am Donnerstag Panzerfahrzeuge und Kampfflugzeuge im Kosovo eingesetzt, um die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse in der Provinz unter Kontrolle zu bekommen. Während Flugzeuge der Luftwaffe die Provinzhauptstadt Pristina überflogen, gingen Panzer in der nördlich gelegenen Stadt Podujevo in Stellung, wo sich albanische Nationalisten und Polizeieinheiten gegenüberstanden und heftige Gefechte lieferten. Der jugoslawischen Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ zufolge kam es auch in anderen Städten der Provinz wieder zu schweren Zusammenstößen zwischen Albanern und Sicherheitskräften. Erstmals weitete sich der Konflikt auch in die Republik Mazedonien aus. In Tetovo schlossen sich 2.000 Demonstranten den Forderungen der Kosovo-Albaner nach mehr Eigenständigkeit an.

Auf seiner Sondersitzung am Mittwoch abend war das jugoslawische Staatspräsidium noch sehr uneinig darüber gewesen, ob der Einsatz der Armee zur „Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung“ im Kosovo angeordnet werden solle. Wie aus informierten Kreisen verlautete, waren von den Vertretern der sechs Republiken und der zwei autonomen Provinzen Jugoslawiens sechs gegen eine militärische Intervention gewesen. Zwei hatten einen Armeeinsatz befürwortet. Beobachter äußerten die Vermutung, daß es sich bei den Befürwortern um Serbien und seinen traditionellen Verbündeten Montenegro gehandelt habe. Armeeinheiten sind seit Beginn der Krise vor etwa zwei Jahren im Kosovo aufgestellt, sie waren jedoch noch nicht direkt bei Demonstrationen eingeschritten.

Bei den blutigen Auseinandersetzungen im Kosovo wurden seit Samstag 19 Menschen getötet und etwa 100 verletzt. Diese Bilanz reicht fast an die Opferzahlen vom März 1989 heran, als während des Höhepunktes der nationalistischen Auseinandersetzung im Kosovo 22 albanische Demonstranten innerhalb von 48 Stunden bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden. Allein bei den Demonstrationen am Mittwoch kamen jüngsten Rundfunkmeldungen zufolge sieben Albaner ums Leben. Die jugoslawische Nachrichtenagentur 'Tanjug‘ hatte ihrerseits den Tod von drei Albanern in dem Dorf Glogovac gemeldet, ohne jedoch Angaben über die Umstände des Todes der drei Demonstranten zu machen.

Die tiefe Spaltung des Landes spiegelte sich auch in der jugoslawischen Presseberichterstattung am Donnerstag wider: Die größte kroatische Zeitung 'Vjesnik‘ berichtete unter der Schlagzeile „Blutige Unterdrückung“, daß in dem Kosovo-Dorf Polizisten mit Maschinengewehren auf Schaulustige schossen, nachdem einer ihrer Kollegen von Albanern angegriffen wurde. Im Süden des Landes wird in den Schlagzeilen der Zeitungen hingegen von einem drohenden „Bürgerkrieg“ gesprochen, an dem die als „Terroristen“ bezeichneten albanischen Nationalisten Schuld trügen.

In Serbien und Montenegro fanden seit Mittwoch zahlreiche von der serbischen KP organisierte Solidaritätskundgebungen mit der serbischen Minderheit im Kosovo statt. In der jugoslawischen Hauptstadt schien die KP-Führung am Mittwochabend die Kontrolle über den Protest verloren zu haben: Dort kam es erstmals zu einer Kundgebung, in der Demonstranten Tito als „Kriminellen“ bezeichneten und die Abschaffung des kommunistischen Systems forderten.

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