: Positives Echo auf US-Abrüstungsvorschläge
Bush schlägt eine Truppenreduzierung der Supermächte in Europa um je 195.000 SoldatInnen vor / Die Nato muß noch zustimmen ■ Von Andreas Zumach
Wien/Washington (taz/dpa) Grundsätzlich zustimmend haben die wichtigsten Nato -Alliierten der USA auf Präsident Bushs Vorschlag reagiert, bei der ersten Runde der Wiener Verhandlungen über konventionelle Rüstung (VKSE) eine niedrigere Höchstgrenze von sowjetischen und US-amerikanische Soldaten in Zentraleuropa zu vereinbaren als bislang von der Nato vorgeschlagen.
In seinem Bericht zur Lage der Nation hatte Bush in der Nacht zum Donnerstag vorgeschlagen, statt der bislang von der Nato in Wien angepeilten Obergrenze von jeweils 275.000 Soldaten der USA und UdSSR in ganz West- beziehungsweise Osteuropa ein Limit von jeweils 195.000 im westlichen (BRD, Beneluxstaaten, Dänemark) wie im östlichen (DDR, Polen, CSSR, Ungarn) Teil der in Wien als „Zentraleuropa“ beschriebenen Zone festzulegen. Bush äußerte sich nicht ausdrücklich zur Gesamtzahl der GIs, die nach einer entsprechenden Reduzierung in ganz Westeuropa (inklusive Großbritanien, Italien, Türkei und Griechenland) verbleiben sollen.
Derzeit beträgt sie 305.000. Der US-Chefunterhändler bei den Wiener Verhandlungen, Woolsey, bezifferte die künftige Zahl gegenüber der taz auf 225.000. Ob die UdSSR, die nach diesem neuen Vorschlag 365.000 statt, wie bislang von der Nato verlangt, 300.000 ihrer derzeit 575.000 in Bündnisstaten stationierten Truppen reduzieren müßte, auf diesen Vorschlag eingeht, bezeichnete Woolsey nach ersten Sondierungen mit seinen östlichen Verhandlungspartnern als „unsicher“. Moskaus Regierungssprecher Gerassimov nannte Bushs Initiative in einer ersten Stellungnahme einen „Schritt in die richtige Richtung“. Sowjetische Diplomaten in Wien erklärten, Moskau bleibe bei seiner grundsätzlichen Forderung nach Einbeziehung aller in Europa fremdstationierten Truppen bereits in ein erstes Abkommen. Sie deuteten jedoch erstmals die Bereitschaft zu einen möglichen Kompromiß an: Danach werden in der ersten Wiener Runde zu Reduzierungen führende Obergrenzen für die Truppen der beiden Großmächte vereinbart sowie separate Obergrenzen für die Truppenstärken aller anderen Staaten, in denen lediglich der derzeitige Status quo festgeschrieben wird. Zusätzlich erhält die UdSSR die verbindliche Zusicherung, daß das noch auszuhandelnde Mandat für eine zweite Wiener VKSE-Runde auch Verhandlungen über eine Reduzierung dieser Truppen vorsieht. Gegen eine solche Zusicherung sperren sich allerdings bislang Frankreich und Großbritannien.
Bushs Vorschlag muß noch offiziell von der Nato abgesegnet werden, bevor er in Wien offiziell eingebracht wird. Die britische Premierministerin Thatcher unterstrich Bushs Feststellung, daß die Zahl von 195.000 eine neue Untergrenze darstelle und keine weiteren Reduzierungen geplant seien. Verteidigungsminister Stoltenberg betonte ähnlich wie Thatcher, die neu vorgeschlagene Obergrenze bedeute eine „Langzeitverpflichtung“ Washingtons. Die grüne Bundestagsabgeordnete Beer erklärte, Bushs Vorschlage hinke hinter den aktuellen Entwicklungen hinterher. Der „Selbstauflösungsprozeß des Warschauer Vertrages“ solle „genutzt werden, um einen eben solchen in der Nato zu voll ziehen“. Kommentar auf Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen