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Die Frau soll herrschen

■ 1816 wurden in Europa neue Verfassungen beraten. C. Schiede schlug vor, mal die Frauen regieren zu lassen. Auszüge aus seinem Pamphlet.

Nicht bloß in wilden Eroberungskriegen, auf dem, mit dem Blute der erschlagenen Männer und Jüngliche gerötheten, Schlachtfelde, würgen und morden die unbändigen Leidenschaften der Völkerbeherrscher, ganze Schaaren darnieder.

Nein! wenn der, auf Augenblicke mit Menschenblute getränkte, Würgeengel des Kriegs verschnauft, so läßt der harte Mann den Satan der geheimen Polizei - einen Fouche - gegen seine unglücklichen Unterthanen los, stürzt ganze Familien in bittere Verzweiflung, in scheusliche Kerker, in den Henkerstod.

Blutsaugende Generalpächter und Finanzminister mit metallenen Seelen, nagen mitten im Frieden am Gute und Blute des armen Volks, um mit dem sauern Schweiße des arbeitsamen Bürgers den Thron des mächtigen Tyrannen mit, alles Menschengefühl empörenden, Glanze zu umgeben, um die bösen Diener seiner Grausamkeit, seines Stolzes, mit Schäzzen und Gütern, ja! mit Fürstenthümern zu bereichern, zu belohnen.

Ruht das Schwerdt des Herrschers, schläft der Geheimepolizeiminister auf Augenblicke den Hasenschlaf mit halboffenen Augen und macht der aussaugende Finanzminister einen Minutenlangen Stillstand, um auf neue Projecte zu sinnen, das Land in Contribution zu setzen, so zündet zu allem Überflusse der Priester einen Scheiterhaufen an, um dem Gotte der Liebe zu Ehren, einen armen Ketzer zu braten und so auch von seiner Seite der Welt zu beweisen, daß er, wenn gleich kein Mensch, doch ein heiliger Mann sey, also zu einem Geschlechte gehöre, das in Befriedigung seiner ungezügelten Leidenschaften, seine Größe sezt. Die Unterdrückung der Mehrheit

und die der Frauen

Will das die Natur? fragt seufzend, oder im stillen Grimme die Zähne knirrschend, der, vom mordenden Stolze des harten Eroberers Unterdrückte, Verwundete, Verstümmelte, indem er das Kreuz und rothe Bändchen ins Feuer schleudert, das ihm mit verachtendem Hohne der mächtige Bösewicht zur Entschädigung für sein abgeschossenes Bein, für seinen abgehauenen Arm, aufs Herz nähete und dadurch als Sclaven seines Stolzes brandmarkte.

Will das die Natur? fragt der, von gewaltiger Raubsucht, von mächtigen und durch seine Macht privilegirten Wucherern ausgesogene, arme Bürger und Landmann, indem er sein verschimmeltes trockenes Stückchen Brod mit heissen Thränen benezt, das allein ihm der harte Edelmann oder der, mit hämischer Freude gern ausgepfändede Steuererheber kaum übrig lies, um ihn dafür zu züchtigen, daß er keinen französischen, sondern deutschen Sinn geäussert hatte.

Will das die Natur? fragt, verzweiflend die Hände ringend, die verfolgte Tugend und Unschuld, welche sich aus den starken Armen der mächtigen Wollustgier losreißt und zur Strafe verleumdet und Dürftigkeit schmachtet.

Nein! o du von mächtiger Tyrannei daniedergetretene, arme liebe Menschheit! ihr vom schwindelnden Stolze, von mächtiger Habsucht und frecher Wollust geplagte Menschen! Nein! Nein! Das will die Natur nicht.

Aber die gute Mutter Natur wollte auch nicht, daß die Menschheit einem Geschlechte die Herrschaft über sich anvertrauen sollte, welches blos, weil es stärker, als die andere Hälfte ist, sich zum Throne berechtigt glaubt.

Dies ist Unnatur, die nur zu fruchtbare Mutter von allem Bößen, von allen Uebeln.

Wer einen Wolf zu erschlagen vermochte, hätte nicht eben deswegen auch für fähig zum Regiment über vernünftige Menschen gehalten werden sollen. (...) Die Politik hat ausgeschwärmt, die Demokraten schlagen ob ihrer erlittenen schmählichen Täuschung die Augen nieder und falten beschämt die Hände. Der böse, böse Stern der unmenschlichsten, blutigen, selbst den Geist zerstören wollenden, Tyrannei, des verworfensten Machiavellism, des schändlichsten Foucheism, geht unter.

Wenn er auch noch einmal seine, durch den erwachten guten Geist der Zeit, gelähmten Flügel zum lezten Emporflattern versucht, so wird er dann desto schmählicher in den tiefsten Abgrund versinken.

Zitternd vor Wonne lagen die Völker, ihre siegenden Waffen hochemporhebend, auf den Knien, die Gottheit preisend, und umarmten sich, freudetrunken über seinen Fall. (...) Im Ehebett auf Nummer sicher

Ein Mann, welcher den verständigen und klugen Anordnungen seiner Frau nicht barrsch entgegentritt und unfreundlich eingreift, sondern sie hübsch gewähren läßt, wird sich wahrlich! wohl dabei befinden und die seligste Hausruh genießen.

Und alle Völker werden nur dann zur Ruhe kommen und Frieden erhalten, wenn wir nicht auf dem halben Wege stehn bleiben, sondern den holden, verständigen, lieben Frauen auch die Führung des ganzen großen Haushalts überlassen, wozu sie mit den herrlichsten Gaben und Tugenden ausgestattet sind, unter welchen die Geduld obenan steht neben der Güte. (...) Auffallend und Nachdenken erweckend ist's, daß die meisten Männer im Ehebette sich auf den hinteren Platz fügen. Selbst Napoleon soll seiner Josephine daselbst, wie mich sein Leibmameluk versicherte, den ersten Platz eingeräumt haben, wahrscheinlich um sicher schlafen zu können.

Ist das nicht ein unwillkührliches stilles Geständniß des Mannes, daß er des Schutzes der schönen tugendhaften Frau bedürfe, um ruhig schlafen zu können?!

O! du wirst nicht allein ruhig schlafen, sondern auch ruhig und sicher wachen können, wenn du nicht blos bei Nacht, sondern auch bei Tage, dich ihrer schützenden Leitung folgsam und getrost überlässest und alle Völker werden zur Ruhe kommen, die ein Gleiches thun. (...) Gebeugt unter die unnatürliche Männerherrschaft, die, wie bekannt, niemals sonderlich berühmt war, daß sie bei irgend jemanden einen rosenfarbigen Humor begünstige, leidet das sanftere Geschlecht macherlei Bedrückungen und Beschwerden, so sehr sich auch die Männer das Ansehn geben, beschützende Ritter zu seyn.

Diesem ewigen unleidlichen Drucke ist es auf die Rechnung zu setzen, daß manche Frauen in heftige Leidenschaften, gleich Männern auflodern, welches doch gar nicht in ihrer Natur liegt, sondern derselben vielmehr ganz fremd ist. (...) Die gezwungene Erduldung dieser Beschwerden bringt scharfe gallichte Säfte in das, sonst reine sanftwallende Blut der Damen, das Nervensystem wird verstimmt, die Seele leidet, der zauberische Reiz vieler holden Weiber wird früh durch die harte Hand des Kummers abgestreift. Die schöne Stirn umwölkt sich und ach! selbst das schöne sonst sanfte Herz schlägt unruhig, schlägt o Gott! wild.

Die natürliche geistige und körperliche Schönheit schwindet, welche allein zu heissen, liebevollen, Umarmungen einladet, die einer kräftigen und holden Nachkommenschaft das Daseyn schenken.

Warum sind die Amerikanerinnen die holdesten, die sanftesten, die unschuldigsten ihres Geschlechts? weil sie keine dienstbaren Sclavinnen der Männer sind, welche leztere dort, selbst im niedrigsten Stande - wenn es anders in Amerika ein niedriger Stand giebt - die Würde der Frauen ehrend, alle harten unangenehmen Geschäfte übernehmen, die der Schönheit und heiteren Stimmung ihrer Gattinnen nachtheilig oder auch nur gefährlich werden könnten. Die Frauen müssen regieren,

damit die Vernunft es tut

Soll demnach nicht endlich der schönste Reiz von der Menschheit ganz abgestreift werden, wollen wir nicht unleidliche Mannweiber bekommen, wollen wir nicht, von Jahrzehend zu Jahrzehend verschrobenere Gesichter und Gestalten von Nachkommen erhalten o! so höret auf ihr Männer! ferner usurpirende Herren der Schöpfung zu seyn.

Denn nicht blos fürs Einzelne, Nein! fürs Ganze schädlich war der Vorzug der gebieterischen Wahl, den ihr an euch gerissen habt.

Was war bisher größtentheils bei euch die Liebe anders als ein starker Appetit nach einem delicaten Fleischgerichte, welcher euch in gewissen Augenblicken so sehr exaltirte, daß ihr eine Dame freßlieb haben konntet; aber nur so lange bis sie sich euern Armen entwand und entrang!

Oder, wenn sie auf Ehe spekulirte, was war bisher größtentheils bei euch die Liebe anders als eine Wünschelruthe, die nur da anschlug, wo klingende Münze, wo Schätze verborgen liegen!

Ihr umarmt in einer gewählten und gequälten Braut blos einen, euch reizenden, vollen Geldkasten, um, indem ihr geldhungrig umarmt, kleinere, euch ähnliche, Geldkasten, oder manchmal auch nur lebendige Geldbeutel ins Daseyn zu rufen.

Was gewann die Welt dadurch?

Kleine lebendige Viertelfrankengesichter, wie sie besonders in allen großen Handelsstädten in allen Buden zu schauen sind und die eine elende Landwehr versprechen.

Tretet also als vernünftige Männer zurück und indem ihr euch der weisen Anordnung der Natur füget, so huldigt der Herrschaft der Damen, das heißt, der Herrschaft der Tugend, der Schönheit, der Weisheit. (...) Man setzte einst in Frankreich das schönere Geschlecht, als personificirte Vernunft, auf den Altar. Nach vieler verständigen Männer Meynung das Gescheideste vielleicht, was in der ganzen Revolution geschah, wenn es nur ernstlicher damit gemeint gewesen wäre, welches man indessen von Franzosen nicht erwarten konnte - und durfte.

Warum wollten wir Bedenken tragen, dies wirklich, in jeder Rücksicht, durch Geistesadel und Körperreiz, edlere Geschlecht auf den Thron zu setzen, da es zu bescheiden ist, ihn selbst zu fodern! (...) Nur von dir gutes, sanftes, edles Geschlecht, dem der Mensch so sauer wurde, also auch theuer ist, nur von dir kann und darf man endlich auch die Anwendung der großen Maxime erwarten:

Der Mensch ist nicht Mittel, sondern Zweck.

Die Männer, das lehrt die Geschichte auf allen Blättern, thaten das seit nun beinahe 6000 Jahren gar nicht, oder doch sehr selten.

Die wenigen, welche es etwa thaten, übergeht schweigend, und durch dies ihr Schweigen sich selbst brandmarkend, die Geschichte.

Nur für Feurbrände hat sie Posaunen.

Die arme geplagte Menschheit befand sich dabei so übel, daß die Küsten von Africa noch jetzt nur von Räubern bewohnt sind, denen cultivirte Staaten, an dem heutigen Tage noch, sich nicht schämen, Tribut zu bezahlen, damit ihr Nachbar im Handel von ihnen incommodirt werde.

Aus Furcht wahrscheinlich, die Menschen möchten sich allzusehr vermehren, führte man lieber in Europa unaufhörlich Kriege und dachte nicht daran, daß man, wenn anders eine unverhältnißmäßige Ueberzahl von Menschen je möglich seyn sollte, daß man damit nach Africa und Asien seine Zuflucht nehmen könne und eben nicht gerade nöthig habe in Hauskriegen sie todtschlagen zu lassen. Probieren wir doch mal

6000 Jahre Gynaikokratie

Ganz anders handlen, deß bin ich gewiß, die weisen und menschenfreundlichen Regentinnen. Weit davon entfernt, aus Lappereien, wie oft geschah, um eines Fensters willen, oder aus Eroberungssucht, Kriege anzuspinnen, werden sie, wenn unter ihrer gerechten und sanften Regierung die Menschen sich vermehren und ihre Staaten hinlänglich bevölkert sind, mit ihrem Ueberschusse von schönen, kernhaften, friedlichen, muthvollen, arbeitsamen Menschen, als Colonisten, allenthalben willkommen seyn. Sie erobern nicht mit dem Schwerdte, indem sie andern ihre Wohnungen und Länder rauben, wie Attila Napoleon, sondern sie erobern durch Tugend und Weisheit, eingedenk der großen Wahrheit:

Was Menschenblut kostet ist Menschenblut nicht werth.

Da also die Welt bei einer Veränderung wenigstens nichts verlieren kann, so probiren wir's dereinst, zu seiner Zeit, immerhin einmal auf gut Glück für die folgende 6000 Jahre mit der Gynaikokratie, da wir's unter der Androkratie in den verflossenen 6000 Jahren, nicht einmal so weit brachten, daß die Erde allenthalben nur mit Menschen, geschweige dann mit vernünftigen, tugendhaften, folglich auch, so weit es hienieden möglich ist, glückseligen, Menschen bevölkert ward.

Die Natur dürfen wir nicht deswegen anklagen, denn diese ist noch immer kräftigwirksam, wie vor mehreren tausend Jahren.

Konnte sie noch 1811 einen so köstlichen Wein hervorbringen, so war's auch möglich, wenn man ihr nur nicht entgegenarbeitete, lauter gute möglichstglückliche Bewohner der Erde zu liefern. Wenigstens gab sie dadurch einen Beweis von ihrem guten Willen, die Menschen aufzuheitern und zu erhalten.

Ach! die Natur wollte vielleicht den vielen Tausenden die im folgenden Jahre in der Blüthe des Lebens auf die Schlachtbank geführt wurden, mitleidiger, wie Menschen sind, vorher noch ein Labsal reichen.

Das stärkere Geschlecht, erinnere ich zum letztenmale - muß es selbst fühlen, daß es seine Kraft so schnöde mißbrauchte. Es trete also zurück und überlasse das Ruder bessern und sicherern Händen, damit die Jahrbücher der Geschichte nicht ewig mit Erzählungen von blutigen Kriegen besudelt werden.

Die Welt ist es müde, wie bisher nur immer Juliusse Cäsars, Macbethe, Lears, Titusse, Andronikusse und Hamlets auf der großen Bühne erscheinen zu sehn. Sie verlangt zu ihrer Erholung auch einmal ergözzende Ifflandische sanfte Familiengemälde, wie man unter der Gynaikokratie allein hoffen darf.

Sollten die Damen es nach den nächsten 6000 Jahren auch nicht weiter gebracht haben, als die Männer, welches aber nicht zu erwarten steht, so wollen wirs, wenn wir uns dann wieder sprechen, weiter überlegen.

Im schlimmsten Falle haben wir wenigstens die Beruhigung, unser Unglück durch keine Empörung wider die Natur uns zugezogen zu haben.

Der Erfolg mag indessen seyn, welcher er will, so schlimm kann's nicht werden, wie in den letztverflossenen zwanzig und einigen Jahren, wo die, unter der französischen Oberherrshaft seufzenden herabgewürdigten Völker, besonders Germanien, beinahe mit den Bewohnern der Halbinsel jenseits des Ganges, auf den trostlosen, gewiß nicht seligmachenden Glauben geriethen, welchem dann auch die provisorische Regierung zu allem Überflusse nicht sonderlich entgegenarbeitete:

„Die gütige Gottheit habe von der Welt die Hand abgezogen und ihre Regierung dem Teufel übergeben.“ (...)

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