UdSSR für Austritt aus den Blöcken

Die Sowjetunion ist auf dem Weg zur deutschen Einheit für den Austritt der beiden deutschen Staaten aus den jeweiligen Militärblöcken Warschauer Pakt und Nato. „Wir sind bereit, heute schon die Blöcke aufzulösen“, sagte der stellvertretende Sprecher des sowjetischen Außenministeriums Jury Gremitskich am Freitag vor Journalisten in Ost-Berlin. Die Sowjetunion sei dafür, die Bündnisse aufzulösen oder zu politischen Bündnissen umzuwandeln.

Es sei unrealistisch und nicht akzeptabel, davon auszugehen, daß ein vereinigtes Deutschland entweder in der Nato oder im Warschauer Pakt bleiben könnte. Die Lösung müsse dazwischen gesucht werden, erklärte er. Gremitskich verwies darauf, daß DDR-Premier Hans Modrow (SED-PDS), der den Plan zur deutschen Einheit am Vortag vorgestellt hatte, von einer militärischen Neutralität eines geeinten Deutschlands und nicht nur von Neutralität gesprochen habe. Der Austritt aus den Blöcken halte er für eine „gute Lösung“.

Die deutsche Einheit, so Gremitskich weiter, sei nur im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses und unter Mitwirkung der vier Siegermächte möglich. Dazu müsse auf unterschiedlichen Foren, eventuell beim Abschluß der Wiener Abrüstungsverhandlungen, verhandelt werden. Auch die Nachbarn Deutschlands dürften nicht übergangen werden.

In der DDR hat der Modrow-Plan unterdessen zu hektischen Sitzungsrunden und ersten Reaktionen geführt. In der Ostberliner Rungestraße tagte gestern morgen der Parteivorstand der DDR-SPD. Wie es hieß, wurde ein Beschluß gefaßt, über dessen Inhalt zunächst nichts verlautete.

Die Liberaldemokraten in der DDR (LDPD) stimmten Modrows Vorschlägen im wesentlichen zu. Allerdings möchten sie, daß es mit der Einheit noch schneller vorwärtsgeht. Der Vorsitzende der ehemaligen Blockpartei und amtierende Staatsratsvorsitzende Manfred Gerlach schlug einen Volksentscheid zur deutschen Einheit am 2. Dezember in beiden Staaten vor. Beide deutsche Parlamente könnten anschließend gemeinsam zusammentreten und sollten Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum Präsidenten Deutschlands wählen.

Für die DDR-CDU äußerte sich deren Vorsitzender Lothar de Maiziere skeptisch über die Realisierungschancen des Modrow -Plans. Im Deutschlandfunk sagte de Maiziere, er habe Zweifel, daß die Vereinigung der beiden deutschen Staaten über den Weg der Neutralität gehen könne. Die Bundesrepublik werde zu einem nicht unerheblichen Teil durch die militärische Gemeinschaft mit dem westlichen Bündnis „getragen“ und sei deshalb auf die Zustimmung ihrer Partner angewiesen. Die deutsche Frage sollte über den gesamten Abrüstungsplan für Europa, der alle gleichermaßen betreffe, gelöst werden.

Die Frage der Neutralität eines vereinigten Deutschlands war auch in einigen bundesdeutschen Presse- und Politikerkommentaren als eine Art Pferdefuß bewertet worden. Doch mit den Äußerungen Gremitskichs ist die Debatte nun erst richtig eröffnet worden.

dpa/afp