: Hauptstadt-Sozis gegen Momper-Plan
■ Ost-Berliner SPD-Vorstandsmitglieder üben scharfe Kritik an Mompers „Einheitsfahrplan“ / Verärgerung über Alleingang des Bürgermeisters / Modifizierung des Programms gefordert / Auch Diepgen ist dagegen / Momper rechnet mit Zustimmung der Alliierten
Verärgerung und harsche Kritik hat der „Neun-Punkte-Plan“ von Walter Momper im Vorstand der Ostberliner SPD hervorgerufen. „Wenn über die Zukunft der DDR diskutiert wird, dann nicht am Schreibtisch Walter Mompers, sondern bitte am Schreibtisch einer konföderierten SPD!“ wetterte der Partei-Vize, Thomas Krüger, gestern gegenüber der taz.
Die Vorsitzende der Partei, Anne-Kathrin Pauk, erklärte, daß Mompers Vorschläge die Sicherheitsinteressen der Sowjetunion „zu stark berühren“ würden.
Das Papier, das Momper nach einem Gespräch mit dem britischen Außenminister Douglas Hurd am Freitag in London vorstellte, muß nach Ansicht Pauks „stark modifiziert werden. Da müssen wir noch ein Wörtchen mitreden“.
Momper hatte die DDR-Sozialdemokraten offensichtlich nicht vorher über seine Pläne unterrichtet. Kernthese seines Papiers ist, das Westberliner Modell statusrechtlich auf das Gebiet der heutigen DDR anzuwenden.
So solle die Gesetzgebung der Bundesrepublik nach einer Übergangsphase auch für die DDR und Ost-Berlin gelten. Darüber hinaus soll das Währungs- und Wirtschaftssystem der Bundesrepublik auch auf die DDR ausgedehnt werden.
Momper, der in seinen Ausführungen stets von West- und Ostdeutschland spricht, befürwortet eine Entmilitarisierung des Gebietes der heutigen DDR. Bis ein System der kollektiven Sicherheit in Europa verwirklicht ist, sieht Mompers Plan zunächst den Verbleib von sowjetischem Militärpersonal in der DDR sowie von Militärpersonal von West-Alliierten in „Westdeutschland und den Westsektoren Berlins in gleicher Zahl und Stärke“ vor.
„Wenn heute ein Teil Deutschlands aus einem der beiden Bündnisse herausgeht, verspielen die Deutschen die Chance, aktiv am Abrüstungsprozeß teilzunehmen!“ hielt Krüger gestern dagegen. Einig sei man sich mit Momper darin, die Nato-Grenze nicht bis an die Neiße verschieben zu wollen. Krüger sprach sich aber im Gegensatz zu Momper für ein Verbleiben der DDR im Warschauer Vertrag aus. Auf die Frage, wie er sich die Militärzugehörigkeit eines vereinigten Deutschlands vorstelle antwortete Krüger der taz: „Wenn man sich die DDR unter einem allierten Status denken kann, dann kann man sich auch Truppen zweier Militärbündnisse in einem konföderierten Deutschland vorstellen.“
Krüger befürwortet eine Berufsarmee in der DDR mit einer Stärke von rund 30.000 Mann. Zwar begrüße er Mompers „frisches Denken ohne Grenzen“. Momper gehe aber vom Zusammenbruch des Warschauer Vertrages aus. „Das ist nicht so!“ erklärte Krüger. „Zur Zeit wird in West-Berlin Deutschlandpolitik gemacht. In der DDR muß deshalb Europapolitik gemacht werden!“ fügte er in Anspielung auf Mompers Plan hinzu.
Momper rechnet mit der Zustimmung der Alliierten zu seinem Plan - spätestens jedenfalls nach den DDR-Wahlen am 18. März, wenn eines der wiederhergestellten DDR-Länder sich für die Vereinigung mit der BRD ausspräche.
Der Regierende Bürgermeister will nun schon Anfang März nach Washington fliegen, um mit Außenminister Baker seine Vorstellungen zu diskutieren. Am Freitag abend war er von Gesprächen mit dem britischen und dem französischen Außenminister zurückgekehrt.
Neben dem Sozialdemokraten aus Ost-Berlin hat auch der CDU -Chef Diepgen Kritik an Mompers Vorschlägen geübt. Es sei „in Wahrheit kein Plan zur Vereinigung der beiden Staaten in Deutschland, sondern ein Plan zum Anschluß der DDR unter Vormundschaft der Alliierten“, sagte der CDU -Landesvorsitzende in einer Presseerklärung. Die Deutschen, insbesondere in der DDR, bräuchten aber nichts weniger als eine andere Vormundschaft.
Claus Christian Malzahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen