: Der Staatsmacht Druck von unten entgegenstellen
Südafrikas Präsident de Klerk hat mit seiner Regierungserklärung vom Freitag zweifellos die Initiative im diplomatischen Tauziehen mit dem Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) ergriffen. Mit der Aufhebung des Verbots des ANC, des Panafrikanischen Kongresses (PAC) und anderer Organisationen hat er eine der wichtigsten Forderungen der Opposition erfüllt. Auch was die Rückkehr von Flüchtlingen aus dem Exil, die Freilassung von politischen Gefangenen und die Beendigung von Hinrichtungen betrifft, hat de Klerk entscheidende Zugeständnisse gemacht.
Die ANC-Exekutive traf sich am Wochenende zu einer Dringlichkeitssitzung in Stockholm, wo sich ANC-Präsident Oliver Tambo von einem Schlaganfall erholt. Vorher gab Thabo Mbeki, außenpolitischer Vertreter der Organisation zu, daß der Weg für direkte Gespräche mit der Regierung nun freigeworden ist: „Es ist klar, daß unsere Forderungen, die die politischen Voraussetzungen schaffen sollten, um allen die Beteiligung am friedlichen politischen Prozeß zu ermöglichen, nun zum größten Teil erfüllt sind“, sagte er. Aber eine Reihe von Fragen blieben noch offen, bis es zu Verhandlungen kommen könne.
So will de Klerk nicht alle ANC-Mitglieder, die sich in südafrikanischen Gefängnissen befinden, freilassen. Diejenigen, die sich am bewaffneten Kampf beteiligt haben, sollen weiter ihre Strafe absitzen. Das jedoch kann und will der ANC nicht akzeptieren. Nun wird bereits darüber spekuliert, daß diese Hürde möglicherweise durch eine Form des Gefangenenaustausches überwunden werden könnte. In verschiedenen afrikanischen Ländern sitzen südafrikanische Spione, die wegen Sabotageangriffen verurteilt wurden, im Gefängnis. Sie könnten im Tausch für die ANC-Kämpfer in Südafrikas Kerkern freigelassen werden.
Auch was die Rückkehr von Flüchtlingen aus dem Exil betrifft, besteht noch einige Unsicherheit. De Klerk hat keineswegs eine allgemeine Amnestie verkündet. Viele ANC -Mitglieder, vor allem diejenigen, die am bewaffneten Kampf beteiligt waren, könnten ohne weiteres verhaftet werden. So ist es zwar möglich, daß schon diese Woche die ersten Mitglieder der Organisation nach Hause entlassen werden. Doch prominente Führer und ANC-Kämpfer werden noch länger warten müssen. Vermutlich wäre eine formelle Amnestie wiederum Teil eines Tauschgeschäftes mit der Regierung, Teil der Vorverhandlungen, die jetzt beginnen werden.
Repressive Gesetze
bleiben bestehen
Trotz der Aufhebung des ANC-Verbots bleiben zudem noch all die repressiven Gesetze, die solche Verbote erlaubten, bestehen. Ohne jede Konsultation mit dem weißen Parlament oder gar mit der schwarzen Mehrheit kann der Präsident jederzeit ein neues Verbot verhängen, ANC-Führer verhaften oder verbannen.
Das ist eine Bedrohung, die der ANC nicht tolerieren kann. So sagen Zyniker, daß de Klerk mit seiner Erklärung vom Freitag lediglich die Situation wiederhergestellt hat, die vor 1960 schon existierte, dem Jahr, im dem ANC und PAC verboten wurden. Wenn man die Gesetzeslage betrachtet, so ist die Situation sogar noch schlimmer - die geltenden Sicherheitsgesetze geben der Regierung größere Vollmachten, als sie sie 1960 hatte.
Aber das Machtverhältnis hat sich seitdem entscheidend zugunsten der Opposition verschoben. Organisationen wie die Vereinigte Demokratische Front (UDF) und die Gewerkschaftsföderation Cosatu haben in den letzten Jahren mit ihren Protestaktionen und Streiks den Druck auf die Regierung ständig erhöht. Der bewaffnete Kampf des ANC hat zwar nicht zum Sturz des Regimes geführt; doch hat er die Regierung Milliarden gekostet und den Ruf des ANC „als bewaffnete Propaganda“ bei der Bevölkerung ständig verbessert. Auch die internationale Sanktionskampagne hat den Apartheidstaat zunehmend isoliert. Diplomatisch steht die Regierung ständig unter Druck.
Allerdings hat sich die Situation mit der Aufhebung des ANC -Verbots entscheidend verändert. „Von nun an werden alle politischen Anschauungen an ihrem Realismus, ihrer Durchsetzbarkeit und ihrer Fairneß gemessen“, sagte de Klerk in seiner Rede. Er hofft wohl, daß ANC-Anhänger die Organisation weniger unkritisch und romantisch sehen, wenn sie offen in der politischen Arena auftreten kann. Tatsächlich könnte der ANC dadurch den Bonus, auf den gegen weiße Unterdrücker kämpfende Befreiungsbewegungen in Afrika bisher rechnen konnten, verlieren.
Gerade deshalb ist es für den ANC um so wichtiger, so schnell wie möglich eine deutliche, organisierte Präsenz innerhalb des Landes aufzubauen. De Klerk und seine Regierung haben noch immer ein Monopol der Staatsmacht, haben Polizei und Militär, Sicherheitsgesetze und elektronische Medien in der Hand. Die wichtigste Waffe des ANC ist die Bevölkerung, die Unterstützung an der Basis. Diese gilt es, straff zu organisieren und zu mobilisieren, damit der Druck von unten erhalten bleibt. Nur so kann der ANC seine Position halten und die Regierung zu weiteren Zugeständnissen zwingen.
Aufhebung des Verbots
nur ein erster Sieg
Ähnliches gilt für Druck von außen. „Ich rufe die internationale Gemeinschaft dazu auf, ihre Position neu zu überlegen und eine positive Einstellung zu der dynamischen Evolution einzunehmen, die in Südafrika zur Zeit stattfindet“, sagte de Klerk. Doch ein Nachlassen des Sanktionsdrucks, eine Belohnung der Regierung, bevor die Apartheid tatsächlich abgeschafft ist, könnte den ganzen Prozeß ins Stocken bringen. Die Tatsache, daß Apartheid nach wie vor existiert, daß Schulen und Wohngebiete nach Rassen getrennt bleiben, daß die Rassenklassifizierung der Bevölkerung weiter besteht, daß die „Homeland„-Reservate für Schwarze nicht abgeschafft wurden, daß die schwarze Mehrheit bisher noch keine Möglichkeit der Beteiligung an dem anlaufenden Prozeß hat - all das spielt in die Hände der Opposition. Trotz aller Reformbekenntnisse werden fast täglich in Südafrika Slumsiedlungen plattgewalzt, streikende schwarze Arbeiter fristlos entlassen, die Wohnungen von Schwarzen in „weißen“ Gegenden zwangsgeräumt, Schwarze von weißen Rassisten ermordet oder mißhandelt.
Die Aufhebung des Verbots von Widerstandsorganisationen ist ein erster Sieg. Aber der Kampf um die entscheidenden Fragen fängt erst richtig an.
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