Erste Etappe: Staatenbund

■ Staatsrechtler aus Leipzig und Berlin legen Vertragsentwurf für einen deutschen Bund zwischen DDR und BRD vor / Gegen den Anschluß auf „kaltem Wege“ / Kritik an Momper

Berlin (taz) - Angesichts der Epidemie der Pläne zur deutschen Einheit melden sich jetzt auch die Staats- und Völkerrechtler zu Wort. Gestern wurde ein Vertragsentwurf für einen „Staatenbund Deutschland“ vorgestellt. Die Ausarbeitung wurde geleitet von Prof.W.Poeggel, Institut für internationale Fragen Leipzig, und Prof.Mengel, Institut für Innenpolitik, FU-Berlin. Mengel erhofft sich von dem Vorschlag, daß er die Gefahr eines „Anschlusses der DDR auf kalten Wege“ verhindern werde. Damit der Prozeß der Vereinigung nicht zu einer „Einbahn“ werde, der wirtschaftlich stärkere Partner nicht die Notlage der DDR ausnutze und die eigenen Wertvorstellungen diktiere, bedürfe es der Zeit und gemeinsamer staatlicher Organe. Ein Staatenbund wäre der richtige Weg, die DDR zu konsolidieren. Er setze logisch die „souveräne Gleichheit“ beider Partner voraus, die dann in einer geregelten Form ihre Souveränitätsrechte abtreten.

In diesem Zusammenhang kritisierten beide Professoren den Vorschlag Walter Mompers. Man könne nicht den alliierten Status der Stadt als halbkolonial kritisieren und gleichzeitig den Berlin-Status als Modell für die DDR vorschreiben. Der Staatenbund und nicht die Alliierten soll die „Weiterentwicklung zu einem Bundesstaat unter demokratischer Mitwirkung“ aller garantieren. Insofern unterscheide sich der Vorschlag auch vom Genscher-Plan, der das Entscheidende vom KSZE-Prozeß erwarte.

Der Staatenbund sieht eine Fortentwicklung des Grundgesetzes vor. Nicht nur sozial, sondern auch ökologisch soll die Marktwirtschaft sein. Als Organe sind vorgesehen: ein Bundesparlament (je 50 Abgeordnete nach Fraktionsstärke zusammengesetzt aus beiden Parlamenten, 50 Persönlichkeiten und Vertreter der Länder), ein Bundesexekutivrat (bestehend aus den beiden Regierungen bei Rotation des Vorsitzes, mit Fachkabinetten) und einem Gerichtshof des Staatenbundes. Aufgabe des Bundesexekutivrates: „Schaffung gleicher und sozialer Lebensverhältnisse“ und die Ablösung der Alliierten Rechte. Die Haushaltskompetenz liegt beim Bundesparlament, der Haushalt selbst wird finanziert „je nach wirtschaftlicher Leistungskraft der beiden Mitgliedstaaten.“ Was in diesem Entwurf nicht geregelt ist, liegt im gegenwärtigen sehr weiten Feld der Auseinandersetzung: wieweit wer bis zu welchen Grenzen auf die Souveränität verzichtet. Daß die Autoren eine gemeinsame politische Interessenlage beider Staaten zur deutschen Einheit nicht voraussetzen, ergibt sich aus dem hohen Rang des vorgeschlagenen Gerichtshofes: Er soll für den Streit über Anwendung und Auslegung dieses Vertrages zuständig sein also eine Verrechtlichung des heraufziehenden politischen Grundsatzstreites.

Klaus Hartung