: Heimat zwischen Büchern
■ Edith Aron las im Wall-Cafe ihre leichten Geschichten
Edith Aron hat ein schönes Buch geschrieben. „Die Zeit in den Koffern“, bei Bettina Wassmann erschienen und Montagabend im Wallcafe vorgestellt, sammelt 13 Erzählungen, in denen das Kleine und das Große, Alltag und Politik, auf ungewöhnliche Weise ineinandergreifen. Es gibt eine Erzählerin, sie sagt „Ich“, sie trägt Züge der Autorin, muß aber nicht identisch mit ihr sein. Sie mußte wie Edith Aron aus Deutschland emigrieren. In Argentinien, Buenos Aires, öffnen sich der jungen Europäerin großbürgerliche Häuser. Die Fremdheit macht ihre Beobachtungen genau, ihre Sätze nüchtern, ihre Sprache ironisch und glasklar. Ihre Geschichten laufen auf überraschende Wendungen hinaus, auf unerwartete Sprünge. In den Sprüngen zeigt sich, wovon sie handeln, von den Brüchen der eigenen kleinen und der großen Geschichte.
Edith Aron erzählt von „Fräulein Hesekin“: „Ihre Nerven waren gebrochen, weil man ihr in Deutschland all ihre Bücher, das einzige, woran sie wirklich hing, öffentlich verbrannt hatte.“ Fräulein Hesekin, zu Besuch bei den Eltern der Erzählerin, rettet sie vor dem Nachbarn, in dessen Garten das Kind Erdbeeren gestohlen hatte. „Am nächsten Tag war in der Zeitung zu lesen, ein Jäger habe die Leiche einer Frau gefunden, die sich an einem Baum in dem Wald, der das Landeskrankenhaus umgibt, erhängt hatte.“ Das Politische, „die große Veränderung“, steht nicht im Vordergrund, es wird beiläufig
miterzählt. Aber auch der Blick der Erzählerin und ihr Reise -Alltag sind Folge der politischen Veränderung. Sie ist fremd in Südamerika, und als Fremde reist sie auf den Spuren des Vaters in die Heimat zurück. Heimat?
Was ist Ihre Heimat? wird Edith Aron am Ende der Lesung gefragt. „Meine Heimat ist in der Literatur, bei Joseph Roth, in der deutschen Sprache.“ Genau so ist es zu hören aus ihren Geschichten. Sie sind wie der Tango, den sie in Südamerika einatmet, „schön, traurig, sentimental“ - und ganz leicht.
hans happel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen