: „Wir versauen uns das nicht“
■ Junkie-Unterkunft Roonstraße polizeilich ehrgerettet / 'Republikaner‘ kochen ihr Süppchen
„Das Drogenhaus“ nennen empört schaudernde Nachbarn die Nummer 65 in der Roonstraße. Seit Dezember übernachten hier rund 25 Drogenabhängige, ab April soll daraus ein Projekt für 10 Junkies werden - „betreutes Wohnen“. Wer sich ein „Drogenhaus“ als eine Art düsterdreckige Opiumhöhle vorstellt, kann hier umlernen. Die Zimmer sind groß und hell, mit Bildern und eigenen Zeichnungen an den Wänden, ab und zu auch ein Teddybär auf dem Bett, Blumen. In der tip -top aufgeräumten Küche ein Zettel mit dem üblichen Wohngemeinschafts-Charme: „Bitte räumt eure Sachen selbst weg!“
Einige NachbarInnen hatten in Flugblättern allerlei Teufel an die Wand gemalt: Wohnungen und Autos würden jetzt aufgebrochen, Räder geklaut, womöglich Prostitution betrieben. Polizeibeamte vom zuständigen 3. Revier traten diesen Behauptungen entschieden entgegen: Nicht ein einziger Fahraddiebstahl, kein Auto
aufbruch wurde angezeigt. Und die Wohnungsaufbrüche insgesamt vier - blieben voll und ganz im Rahmen des Üblichen. Der 2. Revierleiter: „Die Roonstraße und die gesamte Steintorgegend war ja auch früher kein Dornröschenschloß. Polizeilich ist die Straße auch jetzt nicht auffällig.“ Kein einziger Hausbewohner sei bei irgend einer Straftat erwischt worden.
„Wir versauen uns das doch nicht selbst! Wir lassen doch hier keine Spritzen rumliegen oder brechen in der Nachbarschaft ein, wir sind doch nicht blöd“, erklärte gestern eine Hausbewohnerin, Petra Luft. Und einer der Junkies ergänzte: „Endlich, endlich haben wir ein Zuhause wenn auch mit vieren auf einem Zimmer.“ Zuhause heißt: Zwischen 11 und 18 Uhr ist das Haus geschlossen, tagsüber ist derzeit keine Betreuung zu leisten. Laut Hausordnung ist Dealen und Freierbesuch verboten, „keine Diebstähle, nicht im Haus und nicht in
der Nachbarschaft“ wird dringend empfohlen. Wer beim Klauen erwischt wird, fliegt raus. Raymund Suchland vom Trägerverein Kommunale Drogenpolitik - Verein für akzeptierende Drogenarbeit (AK) kommentiert realistisch: „Wenn hier gedealt würde, gäbe es ein paar Razzien, und dann wäre das Haus für uns verloren.“ Das ständige Argument der Nachbarn - Schutz der Kinder - findet Suchland ziemlich abstrakt. Weil im Haus alte Spritzen gratis gegen neue getauscht werden, ist es unsinnig, die alten draußen wegzuschmeißen; der tägliche Suchdienst findet nur selten eine.
Inzwischen wurden die rechtsradikalen 'Republikaner‘ aktiv und verteilten Propagandazettel in die Roonstraßen -Briefkästen. Sie wollen das „Übel an der Wurzel packen“ und fordern volksnah „Schutz unbescholtener Bürger vor den Begleiterscheinungen der Drogenszene“. S.P
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