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Die Quadratur des Kreises - spiralförmig?

■ Das Phänomen geheimnisvoller Kreismuster in Kornfeldern Unterirdische Kräfte oder außerirdische Untertassen als Verursacher? Zwei englische Ingenieure sind dem Rätsel nachgegangen

Eine Tagesthemen-Sendung im Sommer vergangenen Jahres berichtete nicht nur über ein mysteriöses Phänomen, sie hatte auch gleich eine Erklärung parat: In zahlreichen Kornfeldern in Südengland waren merkwürdige Kreisformationen aufgetaucht, in einem Durchmesser von teilweise über 20 Metern waren die ansonsten unverletzten Ähren in spiralförmigen Mustern zu Boden gedrückt, keiner der befragten Farmer konnte sich erklären, wie diese Eindrücke auf ihren Feldern entstanden waren. Die Nachrichtenleute freilich fanden die Lösung schnell: Sie filmten einige Studenten, die in einem Kornfeld einen Kreis niedertrampelten - ein Jux also das Ganze? Die Journalisten hätten es besser wissen können. Im Londoner Bloomsbury -Verlag war vor kurzem ein Buch herausgekommen, in dem zwei Ingenieure, Pat Delgado und Colin Andrews, ihre Untersuchung von Hunderten zwischen 1978 und 1988 entstandener Kreismuster vorgelegt hatten, mit dem eindeutigen Ergebnis, daß diese Kreise, in denen keine Pflanze zerbrochen, sondern alle Halme nach unten gebogen und in symmetrischem Muster angeordnet sind, weder von Füßen und Händen noch von einer menschlichen Maschine manipuliert sein können. Wie und warum die mysteriösen Muster mitten auf unberührten Kornfeldern auftauchen, darauf haben Delgado und Andrews nach Analyse und Überprüfung aller möglichen Theorien keine Antwort gefunden, ihre „Circular Evidence“ (so der Originaltitel) beweist nur, wie und warum sie mit Sicherheit nicht aufgetaucht sein können. Der Untertitel des jetzt auf deutsch erschienen Bands „Eine Untersuchung des Phänomens der spiralförmig flachgelagerten Bodenmuster in Kornfeldern“, mag wie die Dissertation einer landwirtschaftlichen Fakultät anmuten, doch es handelt sich um eines der spannendsten Sachbücher der letzten Jahre - die kreisrunden Zeichen sind ein hartnäckiges, unwiderstehliches Rätsel.

Sie entstehen über Nacht. Ganz gleich, ob das Korn trocken ist oder naß, grün oder reif, ob es kalt ist oder warm, stürmisch oder windstill. Manche Bauern wunderten sich, als sie mit ihren Düngemitteln am Morgen durch dieselbe Treckerspur wie am Vorabend fuhren und plötzlich auf einen etwa 17 Meter breiten Kreis stießen, in dem die Ähren in spiralförmigem Muster flach zu Boden gedrückt lagen. Beim Weiterfahren entdeckten manche, daß zu diesem großen Kreis noch zwei, drei oder vier kleinere Satellitenkreise gehörten, exakt ausgerichtet nach den Himmelsrichtungen doch sie gaben sich mit der landläufigen Erklärung zufrieden: daß dies schon seit Jahren immer wieder vorkomme und auf brunftende Hirsche zurückzuführen sei, die sich lüstern im Kornfeld wälzten. Nicht so der Bauer Gordon Sparkes in Whiteparish, der am 9.Juli 1987 glaubte, endlich die Übeltäter erwischt zu haben, die seit 29 Jahren immer wieder sein Feld verunstalteten: Er rief die Polizei, um ihr Delgado und Andrews zu übergeben, die den von einem Bekannten entdeckten Kreis eben untersucht hatten. Daß Farmer Sparkes und seine Kollegen über die bei näherem Hinsehen äußerst ästhetischen Veränderungen nicht erfreut waren, hat einen durchaus triftigen Grund: In vielen Fällen wächst noch die nächste Generation der niedergedrückten Ähren statt nach oben in die Horizontale. Die biologischen Untersuchungen der Pflanzen jedoch brachten, wie auch die Analyse der Bodenproben, die die Autoren durchführen ließen, keine Besonderheiten ans Licht - den Ähren fehlte nichts, sie waren weder krank noch gebrochen, gequetscht oder geknickt, sondern nur auf merkwürdige Art verdreht und gebogen. Die naheliegende Erklärung, daß künstliche Luftwirbel oder natürliche Windhosen für die Existenz der Kreise verantwortlich sein könnten, mußten die Forscher schnell aufgeben, zu kompliziert waren die Merkmale der Muster, als daß sie ein simpler Wirbelsturm hätte verursachen können: Spiralwindungen, gegenläufige Windungen, mehrschichtige Getreidelagen in unterschiedlichen Richtungen, Strahlenmuster, mal von einem, mal von zwei Zentren ausgehend. Zudem waren einige Muster von großen Ringen umschloßen oder von kleineren, in identischem Abstand plazierten Kreisen. Auch alle anderen physikalischen Erklärungsversuche - Schwerkraft, Gasdruckbildung, Gezeitenströme, Magnetismus, Elektrizität, vulkanischer Druck - führten zu keinem befriedigenden Ergebnis, „es mag sein“, resümieren Delgado / Andrews, „daß diese Aufstellung der Erdkräfte den Schlüssel birgt, nach dem wir suchen. Was immer es auch sein mag und wie immer es zustande kommen mag, es sieht so aus, als würde es intelligent gesteuert.“

Ein unbekanntes Kraftfeld gesteuert von einer unbekannten Intelligenz - das mußte natürlich die Aufmerksamkeit der Ufoforscher erregen, und die vollkommene Skepsis all jener, für die Wissenschaft dort aufhört, wo das Unerklärliche anfängt. Pat Delgado und Colin Andrews enthalten sich jeder Spekulationen über außerirdische Verursacher, sie listen mit britischer Präzision und Kühle ihre Ergebnisse auf und beantworten die Frage nach Ufos mit einem vagen „Könnte sein“. Gleichwohl unterschlagen sie nicht die merkwürdigen Vorfälle, die ihnen und anderen im Zusammenhang mit den Zeichen im Kornfeld widerfuhren: Während der Untersuchungen vor Ort hörten sie häufig knisternde, zischende Geräusche und sahen kleine blaue Blitze, beim Fotografieren verbog sich einmal die Verschlußklappe des Apparats, Hunde, die ins Kreisinnere traten, jaulten und wurden augenblicklich krank, auf Fotos des leeren Kreises waren plötzlich Gegenstände zu sehen und am nächsten Tag verschwunden, Tonaufnahmen offenbarten merkwürdige Geräusche, die vor Ort niemand gehört hatte... Alles Phänomene, wie sie in zahlreichen Spuk - und Psi-Fällen auftauchen und oft genug als Fälschung entlarvt wurden. Der zirkularen Evidenz der Kreismuster indessen könnte es wenig anhaben, wenn diese mysteriösen Nebeneffekte auf natürliche Weise erklärt würden - es geht den beiden Autoren nicht um Beweise für das Übernatürliche, sondern um eine Erklärung für diese von ihnen entdeckte und anhand zahlreicher Boden- und Luftaufnahmen dokumentierte, spiralförmige „Quadratur des Kreises“.

Auch in Kanada, USA, Australien, Brasilien und anderen Teilen der Welt sind zahlreiche Kornkreise aufgetaucht, die dieselben Merkmale aufweisen. Wie bei einigen Fällen in England wurden zum Zeitpunkt ihres Entstehens außergewöhnliche Objekte am Himmel beobachtet, Beobachtungen, deren Beurteilung Delgado und Andrews sehr vorsichtig angehen, ohne sie allerdings von vornherein als Halluzinationen abzutun. Doch selbst wenn der kanadische Bauer richtig gesehen hat, der in seinem Rapsfeld auf fünf Untertassen stieß, die auf der Stelle rotierten und nach ihrem Verschwinden fünf präzise Kreise hinterließen, bliebe die Sache ungelöst: Denn was, verdammt noch mal, wollen uns die unbekannten Intelligenzen mit diesen kreisrunden Zeichen sagen? Oder sind sie gar nicht so intelligent, betreiben einfach Sight-Seeing auf der Erde und denken gar nicht daran, daß ihre Spuren uns maßlos verwirren? Oder ist etwa gerade dies ihre Absicht? Derart hypothetische Fragen stellen die Autoren nicht, ihnen war daran gelegen, die harten Fakten zu untersuchen, doch mußten sie sich dabei weitgehend auf Eigeninitiative verlassen. „Viele Behörden“, schreiben Pat Delgado und Colin Andrews am Schluß, „behandeln diese Kreise ebenso wie Ufos: Sie leugnen entweder offen ihren rätselhaften Charakter, oder sie zeigen keinerlei Interesse.“ Derlei Ignoranz wird durch dieses spektakuläre, aber sachliche und unspekulative Buch in Zukunft hoffentlich erschwert. Und die offizielle Wissenschaft macht sich daran, die Herkunft dieser unidentifizierten Bodenobjekte zu entschlüsseln - nicht abgehoben, sondern mit beiden Füßen auf dem harten Boden der der Wirklichkeit. Im Unterschied zu allen fliegenden Untertassen sind die Kreise im Kornfeld kein flüchtiges Objekt, sie liegen weltweit vor aller Augen, ein offenes Rätsel...

Mathias Bröckers

Pat Delgado/Colin Andrews: Kreisrunde Zeichen, Verlag 2001, 190 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 33DM.

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