: Ich bin nicht der Liquidator
■ Der neue BiWiKu-Senator will 1. sich schlau machen, 2. Kulturpolitik weiter aufwerten
taz: Herr Wedemeier hat klar gemacht, daß an mehr Geld für den Kulturhaushalt nicht zu denken ist. Wenn Sie sagen (taz Interview), es passe für Bremen nicht, „wenn einerseits Sensationen stattfinden“ wie auf dem Musikfest, „und alle anderen am Hun
gertuch nagen,“ wie wollen Sie das ändern, außer mit Strei cheleinheiten?
Scherf: Wedemeier hat nur gesagt, daß die Forderung nach 100 Mio. mehr für Kultur angesichts der katastrophalen Finanzlage eine sehr schlichte Antwort hat.
Er hat damit nicht gesagt, daß alles eingefroren würde. Wir beide sind so verblieben, daß ich eine Chance haben muß, mich vertraut zu machen mit den vielen Risiken, die es in diesem Bereich gibt und erst nach Zurkenntnisnehmen des Kulturentwicklungsplanes - es wird immer behauptet, es gäbe einen, ich kenne ihn nicht. Es gibt Materialien dazu, die aber überhaupt nicht abgestimmt sind - fängt die politische Beratung an. Und dann muß ich vor dem Hintergrund unserer Gesamtprobleme einen qualifizierten, inhaltlich offensiven Anteil für Kulturpolitik zu formulieren. Ich möchte mich dazu nicht nur auf Beamte verlassen, sondern mich wirklich schlau machen bei denen, die hier Kultur produzieren. Ich bedaure, daß ich zur „Lebendigen Stadt“ keine Einladung bekommen habe.
Wie lange brauchen Sie dazu?
Bestimmt bis zum Sommer...In Ihrem Wahlpapier gegen Wedemeier von 1985 (taz-HB v. 6.2.90) wollten Sie das „provozierende Nebeneinander von wenigen voll subventionierten Angeboten und vielen gänzlich auf sich gestellten Initiativen zugunsten einer Förderung von Selbstbestimmung umstrukturieren.“ Wollen Sie die Selbstbestimmung traditionell teurer Institutionen wie des Goethetheaters fördern, indem sie die Subvention kürzen und auf den freien Markt der Zuschauer verweisen?
Das ist eine Sache. Eine weitere Sache ist, daß Drittmittel
weiter reingeholt werden, eine dritte, daß Mäzenaten stärker ermutigt werden, sich daran zu beteiligen, daß ich mich dazu auch auf die Socken mache. Das vierte ist, daß die Gesamtveranstaltung Kulturpolitik einen Stellenwert bekommt, der sie selbständig unterstützenswert macht für alle, die diesen Stadtstaat offensiv verteidigen. Nicht diesen Verdacht, den ich immer von den Grünen höre, daß alles eine Funktion von Wirtschaftsansiedlung ist.
Ich bin nicht der Liquidator bremischer Kulturpolitik. Ich begreife das als Herausforderung, eine weitere Aufwertung zu organisieren. Das hängt übrigens auch von der Qualität ab. Es wird mir ja vorgeworfen, ich wolle Sozialhilfemodelle über die Kunst verbreiten und jeder kriegte was. Das ist nicht richtig. Es muß auch drauf geachtet werden, daß es vorzeigbar ist und sein Publikum findet. Das ist keine Wohlfahrtsveranstaltung.
Interview: Uta Stolle
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