: WIR SIND DAS FUSSVOLK!
■ VOLKSKULTUR
Nachdem Mathias Rust per Luft Moskau heimsuchte und Dietrich Bahner zu Lande mittels Taxikorso dortselbst einfiel, spektakuliert jetzt einer zu Fuß „nach Moskau!“ (Tschechow). Das Bezirksamt Tempelhof informiert jedenfalls darüber, daß der Lichtenrader Hermann Eichner, von Beruf „Berliner Wanderfreund“, am 26. Mai endlich die schon lange fällige „Wanderung für Frieden und Freundschaft“ nach Moskau antritt, nachdem ihn die Füße 1987 nach Paris und 1989 nach Brüssel trugen.
Boris Kaimakow, der ehemalige Leiter des Berliner Büros der Presseagentur 'Nowosti‘ soll Eichner bereits zugesagt haben, ihm sämtliche Genehmigungen wie Visum usw. zu besorgen und in Presse und Fernsehen zu berichten, wenn drei Bedingungen erfüllt würden:
Erstens muß ein sowjetischer Sportler mitwandern, den 'Nowosti‘ stellt.
Zweitens sollen die beiden am 22. Juni in Moskau ankommen, am Tag des Beginns des Krieges zwischen Deutschland und der Sowjetunion, weil damals die Deutschen im Krieg nach Moskau gegangen wären und heute ein Deutscher und ein Sowjetbürger gemeinsam für Frieden und Freundschaft von Berlin nach Moskau gingen.
Drittens muß Eichner für die Veranstaltung einen Sponsor bringen. Ja, ja, 'Nowosti‘ wird wohl auch bald eine Abteilung Völkerverbindungs-PR und Kitsch-Symbolik einrichten.
Beginnen soll die Wanderung vor der Kirche Christi Auferstehung am Hohenzollerndamm in Wilmersdorf. Erstes Nachquartier ist Hennickendorf. Dann geht's über Frankfurt/Oder und Schwiebus nach Posen und Warschau. Letzte Station in Polen ist Siedlce, bevor am 7. Juni die Grenze zum sowjetischen Brest passiert wird. Über Minsk und Smolensk geht es bzw. gehen sie weiter und am 22. Juli soll Moskau erreicht sein. Zwei Tage später fliegt der Wanderfreund, quasi zum Wandervogel mutiert, zurück.
Der für die russisch-orthodoxe Kirche Berlin und Mitteleuropas zuständige Erzbischof German hätte dafür gesorgt, daß Eichner und sein Begleiter in kirchlichen Einrichtungen übernachten können. Außerdem teilt das Bezirksamt Tempelhof noch mit: Kürzlich suchte der Tempelhofer Wanderfreund Bezirksbürgermeister Siegmund Jaroch auf, um ihm seine Pläne vorzustellen. Der Bürgermeister zeigte sich von der Idee zu diesem Unternehmen und den Einzelheiten sehr beeindruckt und begleitet diese Wanderung für Frieden und Freundschaft mit allen guten Wünschen. Wenn sich der Bürgermeister da mal keine Schwielen am ganzen Herzen holt!
Wir hingegen freuen uns schon jetzt darauf, daß hoffentlich bald einmal jemand für den Frieden nach Moskau schwimmt!
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