Berlins ImmigrantInnen planen Menschenkette

■ Türkische Organisationen präsentieren Stellungnahme zum geplanten Ausländergesetz von Bundesinnenminister Schäuble / Am 16.Februar Menschenkette um das Schöneberger Rathaus / Als „Zwang zur Assimilation“ wird die Einbürgerungsregelung kritisiert

„Es ist nie zu spät.“ Mit viel Zweckoptimismus und Einmütigkeit präsentierte sich gestern das Aktionsbündnis türkischer Vereine und Organisationen gegen das geplante Ausländergesetz. Monatelang hatte es gedauert, bis sich die 27 Gruppen an einem Tisch zusammenfanden und ihre teilweise massiven politischen und ideologischen Differenzen hinter ein Ziel zurückstellten: den „Schäuble-Entwurf“ zu verhindern.

Stellvertretend für das Aktionsbündnis stellte Kenan Kolat vom Türkischen Elternverein die Alternativforderungen vor: Niederlassungsrecht für alle Nicht-Deutschen, die seit mehr als fünf Jahren hier leben; Wahlrecht, Schutz vor Abschiebung, sowie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für alle hier lebenden ImmigrantInnen.

Wie groß die Mobilisierungskraft des Bündnisses ist, das auf der Pressekonferenz im übrigen ausschließlich von Männern repräsentiert wurde, wird sich spätestens am 16. Februar zeigen. Dann will man eine Menschenkette um das Schöneberger Rathaus ziehen. Podiumsdiskussionen, Unterschriftenkampagnen und eine Großdemonstration sind geplant. Damit wollen die türkischen ImmigrantInnen nicht nur ihren Widerstand gegen die „Bonner Bürokraten“ deutlich machen, sondern auch dem rot-grünen Senat eine „etwas höhere Konfliktfähigkeit“ gegenüber der Bundesregierung nahelegen, erklärte Alisan Genc vom Türkischen Wissenschafts-und Technologiezentrum.

Besonders kritisch bewertete das Aktionsbündnis die neuen Regelungen im Gesetzentwurf, die nur den 16- bis 21jährigen die Einbürgerung erleichtern - vorausgesetzt, sie geben ihre alte Staatsbürgerschaft auf. „Das ist Zwang zur Assimilation“, kritisierte Kolat. Seit er sich ausführlich mit dem Entwurf befaßt hätte, fühle er sich zunehmend als Störfaktor in diesem Land. Kolat verwies insbesondere auf die weitere Einschränkung politischer Betätigung von Nicht -Deutschen und auf aufenthaltsrechtliche Gummiparagraphen. So soll zum Beispiel der Nachzug von Familienangehörigen, aber auch die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis davon abhängig gemacht werden, ob der Betreffende „ausreichenden Wohnraum“ nachweisen kann.

Hungerstreiks oder die Schließung türkischer Läden, wie sie vor einer Woche von einem Zusammenschluß türkischer Organisationen in Köln angekündigt wurden, hat das Berliner Aktionsbündnis noch nicht in Erwägung gezogen. „Wenn nötig, sind wir auch dazu bereit“, hieß es gestern einstimmig.

Vorerst hofft man auf die Solidarität und Unterstützung von Gewerkschaften, Kirchen und anderen deutschen Gruppen. Die scheinen jedoch seit dem 9. November unter den deutschlandpolitischen Teppich gekehrt worden zu sein. Erste Wiederbelebungsversuche gibt es immerhin beim DGB, der sich Ende Januar wieder mit Kritik am Gesetzentwurf zu Wort gemeldet hat.

In Berlin plant nach Angaben des zuständigen Gewerkschaftssekretärs Lutz Fuchs-Jansen ein Arbeitskreis neue Aktionen. Eine vor Monaten mit Berliner Betriebsräten geplante Anzeigenkampagne zum kommunalen Ausländerwahlrecht liege in den Schubladen. „Die Idee ist noch im Kopf.“ Diverse linke in- und ausländische Gruppen sowie Bürgerrechtsorganisationen haben sich auf Initiative des AStA der Technischen Universität ebenfalls gegen den Schäuble-Entwurf zusammengeschlossen.

anb