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Piepser, Knast und Gemeinwesenarbeit

■ Beifall im Unterhaus für britische Strafrechtsreform

Dublin (taz) - Der dem rechten Tory-Flügel angehörende britische Innenminister David Waddington will Kleinkriminellen einen Gefängnisaufenthalt ersparen. Das geht aus einem Weißbuch hervor, das er am Dienstag dem Londoner Unterhaus vorgelegt hat. Eltern sollen in Zukunft verstärkt für die Taten ihrer Kinder zur Verantwortung gezogen werden. Gleichzeitig sieht das Weißbuch jedoch wesentlich härtere Strafen für Gewalttäter vor.

Waddington erkennt die Tatsache an, daß Gefangene im Knast nicht resozialisiert werden. Er schlägt deshalb vor, Kleinkriminelle in Zukunft zu „gemeinnützigen Arbeiten“ heranzuziehen oder sie zu Geldstrafen und Hausarrest zu verurteilen. Das in der Bundesrepublik seit langem bestehende System der Tagessätze, mit dem die Höhe der Geldstrafe nach dem Einkommen festgelegt wird, soll auch in Großbritannien eingeführt werden, damit „reiche Gefangene“ mehr zahlen müssen. Außerdem will die Regierung an der umstrittenen elektronischen Überwachung festhalten: Denjenigen, die zu Hausarrest verurteilt worden sind, wird ein Kästchen am Bein befestigt, das ständig Signale über die Telefonleitung an den Computer einer privaten Überwachungsfirma aussendet.

Um die „Law and Order„-Lobby in der eigenen Partei über die Liberalisierung nicht allzusehr zu beunruhigen, will Waddington gleichzeitig längere Gefängnisstrafen für Gewaltverbrechen einführen. Darüber hinaus sollen Anträge auf vorzeitige Entlassung erst nach der Hälfte der Zeit statt wie bisher nach einem Drittel - gestellt werden können. Großbritannien hat die höchste Gefängnisbevölkerung Europas: Von tausend BritInnen sitzt eineR im Knast.

Die geplanten Reformen stießen im Unterhaus auf allgemeine Zustimmung. Knastgruppen warfen der Regierung jedoch vor, daß der Erfolg der Liberalisierung von einem völligen Umdenken der konservativen Richterschaft abhänge, da das Weißbuch keineswegs bindend sein werde. Einige Richter haben denn auch schon ihre Ablehnung von Alternativen zu Gefängnisstrafen ausgedrückt.

Ralf Sotschek.

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