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Skeptische Banker

■ Lambsdorff und Wirtschaftskreise äußern Bedenken gegen überstürzte Währungsunion: „Wahlkampf“

Berlin (taz/dpa) - Die skeptischen Stimmen gegenüber der von Bundeskanzler Kohl und der SPD angestrebten raschen Bildung einer deutsch-deutschen Währungskommission mehren sich im In - und Ausland. Nicht allein Lambsdorff wendet sich gegen einen raschen Vollzug des Währungsverbundes, der eine „Währungsreform mit all ihren Härten und Ungerechtigkeiten für die DDR-Bevölkerung und mit fatalen Rückwirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe“ bedeuten würde. Auch der französische Wirtschafts- und Finanzminister Pierre Beregovoy hat sich kritisch gegen den Kohlschen Vorschlag zur sofortigen Aufnahme von Verhandlungen mit der DDR über eine Währungsunion gewandt. Sorgen bereiten ihm die möglichen negativen Auswirkungen eines solchen Schrittes auf den geplanten Ausbau der Europäischen Währungsunion. Der von ihm angeführte Kronzeuge steht seit gestern allerdings nicht mehr zur Verfügung: Bundesbank-Chef Karl Otto Pöhl, der nach einem Gespräch mit seinem Ostberliner Amtskollegen eine schnelle Realisierung des Projektes Währungsunion noch als eine „sehr phantastische Idee“ abgetan hatte, ist mittlerweile auf Linie gebracht und bereit, den leicht gestreckten Zeitplan mitzutragen.

Die schärfsten Bedenken gegen den mit heißer Nadel gestrickten „Kohl-Plan2“ werden von Wirtschaftsexperten formuliert. Eine vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) veröffentlichte Stellungnahme, die von den Westberliner Wissenschaftlern in Zusammenarbeit mit DDR-Kollegen erarbeitet wurde, warnt ausdrücklich vor dem hohen Tempo, mit dem die Währungsunion angegangen wird. Für die DDR wie die Fortsetzung auf Seite 2

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BRD würden daraus nur negative Folgen erwachsen. Alternativ schlägt das DIW einen dem europäischen Währungssystem vergleichbaren Währungsverbund vor, der es ermögliche, die mit Sicherheit zu erwartenden periodischen Kursanpassungen der DDR-Mark vorzu

nehmen, ohne daß die Bundesbank die volle Verantwortung für die wirtschaftlichen Probleme der DDR zu übernehmen habe.

Eine wenigstens ebenso radikale Ablehnung hat der Kohl-Plan bei den Kreditexperten der bundesdeutschen Großbanken und Sparkassen gefunden. In kluger polit-ökonomischer Einsicht wird das Motiv für diesen überstürzten Vorstoß im „schon begonnenen Bundestags

wahlkampf“ und in der wachsenden Perspektivlosigkeit in der DDR gesehen. Der von den Bankern geäußerte Haupteinwand dürfte nicht zu entkräften sein: Selbst wenn die Einkommen in der DDR zukünftig ganz oder teilweise in D-Mark ausgezahlt würden, bliebe das inländische Warenangebot schlecht. Würde es bundesdeutschen Kaufhauskonzernen ermöglicht, ihre Waren auch in der DDR zu verkaufen, käme es zu ei

nem raschen Anstieg der Preise auf bundesdeutsches Niveau. Dafür wären aber wiederum die Löhne nicht hoch genug und angesichts der mangelnden Konkurrenzfähigkeit der DDR -Betriebe bestünde keine Chance, die Einkommen entsprechend anzuheben. Das Resultat wäre allein eine ökonomische Zerrüttung. Soviel ökonomischer Sachverstand dürfte aber die Bonner Politiker überfordern.

Zausel

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