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Großer Bahnhof für Berlin

■ Betr.: "Ein neuer Hauptbahnhof für die Hauptstadt?", taz vom 6.2.90

Betr.: „Ein neuer Hauptbahnhof für die Hauptstadt?“, taz vom 6.2.90

Der nationale Größenwahn hat nun auch die ehedem alternativen VerkehrsplanerInnen und VerkehrspolitikerInnen erfaßt. Ein Bahnhofsbunker unter dem Lehrter Stadtbahnhof wird gewaltige Erdbewegungen erfordern (die Berliner Tiefbaubranche dankt), und die Gleise werden über das bislang mit Zähnen und Klauen als ökologisches Schutzgebiet verteidigte Südgelände und Gleisdreieck geführt werden müssen - wegen der Lärmbelästigung in tiefen Einschnitten. Ein Blick nach Paris würde guttun. Der Hochgeschwindigkeitszug TGV-Atlantique wurde bis in die Stadtmitte zum Gare Montparnasse geführt. Allein für die 18 Kilometer lange Trasse bis zum Stadtrand wurden zwei Milliarden Francs (600 Mio. DM) ausgegeben, da die Strecke entweder in überdachten Geländeeinschnitten verläuft oder mit großzügig gestalteten Lärmschutzwänden versehen werden mußte. Erst nachdem sich der Superzug durch dieses Höhlensystem geschlichen hat, kann er auf freier Strecke die Richtgeschwindigkeit von 300 km/h erreichen. Es ist auch zweifelhaft, ob eine Zunahme des Verkehrs in Ost-West -Richtung auf der Stadtbahn die Begeisterung der AnwohnerInnen hervorrufen wird. Die Alternative wäre ein Eisenbahnknotenpunkt außerhalb der Stadt, vielleicht in der Gegend von Schönefeld, der mit schnellen, umweltfreundlichen Zubringern an die Innenstadt angebunden wird. Daß Flugplätze nicht im Stadtzentrum liegen, hat man akzeptiert, einen Bahnhof kann man sich nur im Zentrum vorstellen. Als Zubringerin wäre die ungeliebte M-Bahn denkbar, die in luftiger Höhe den Bahnhof mit dem wiederaktivierbaren Nahverkehrsknoten Potsdamer Platz verbinden könnte, ohne den bisherigen Wildwuchs zu stören. Solange der nationale Wahn die Gehirne verkleistert, ist wohl für derartige Utopien kein Platz.

Roland Schnell

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