: „Die Reformen sollen den Boykott durchbrechen“
■ Südafrikas schwarze Gewerkschafter bleiben mißtrauisch: „Der Kampf ist noch nicht zu Ende“ / Bundesdeutsche Manager räumen vor allem dem Finanzboykott Erfolge ein
Johannesburg (ap) - Für Thomas Mazibana, den Betriebsratsvorsitzenden der Siemens-Betriebe in Südafrika, sind die Hintergründe der Reformvorschläge von Präsident Frederik de Klerk klar: „Die Reformen hat de Klerk nicht begonnen, weil sein Herz es ihm gebot. Sie sind nur die Konsequenz aus dem internationalen wirtschaftlichen Druck auf das Land.“ Mazibana erklärte am Mittwoch dem IG-Metall -Vorsitzenden Franz Steinkühler seine Haltung zur jüngsten Entwicklung im Lande: „De Klerk hat uns zwar beeindruckt, aber das heißt nicht, daß der Kampf gegen die Apartheid jetzt zu Ende wäre.“
Nur wenige Tage nach de Klerks Rede vom vergangenen Freitag, die weltweit ein positives Echo ausgelöst hatte, ist Steinkühler eine Woche lang zu Diskussionen mit südafrikanischen Gewerkschaftern und Managern deutscher Betriebe in der Republik am Kap. Mazibana und seine Kollegen von der Metallarbeitergewerkschaft (Numsa) sowie von der Metall- und Elektrogewerkschaft (Mewusa) machen Steinkühler klar, daß der Kampf gegen Apartheid für sie erst zu Ende ist, wenn es keine Rassendiskriminierung mehr gibt.
„De Klerk möchte nur die Last der Sanktionen auf das Land verringern“, meint Mazibanas Kollege Raimond Khoza und fordert Steinkühler und seine Begleiter auf: „Ruft zu Hause dazu auf, die Isolierung des Apartheidregimes zu intensivieren, denn unser Kampf ist noch nicht vorüber.“
Bei der Diskussionsrunde zwischen Betriebsräten der Siemens -Werke und der Gewerkschaftsdelegation im 16.Stock des Siemens-Hauptquartiers in Johannesburg kommt das Mißtrauen der schwarzen Gewerkschafter gegen die weiße Minderheitsregierung immer wieder zum Vorschein. Schon am Vortag bei einer Diskussionsrunde von Betriebsräten deutscher Firmen in Südafrika in Johannesburg war klar geworden, daß de Klerks Reformangebote wie die Aufhebung des ANC-Verbots und des Banns gegen andere Antiapartheidorganisationen sowie die Ankündigung der Freilassung von Nelson Mandela das Mißtrauen der Mehrheit kaum schmälern kann.
„Wir wissen nicht, ob de Klerk gewillt ist, weitere Schritte zu tun. Das hängt sehr von seinen Wählern ab. Es kann jederzeit einen Rückschlag geben“, sagte ein Betriebsrat, der sich zu dem Treffen ein T-Shirt des ANC angezogen hat. „De Klerk will mit uns über die Apartheid verhandeln, aber Apartheid ist nicht verhandelbar“, wenden sich andere an Steinkühler, der als Präsident des internationalen Metallarbeiterbundes den Kampf gegen Apartheid auf seine Fahnen geschrieben hat. „Die Reformankündigungen zielen nur darauf, den Wirtschaftsboykott aufzubrechen. Ob sie dann wirklich Veränderungen bringen, ist unklar“, ist von schwarzen Gewerkschaftern deutscher Firmen immer wieder zu hören.
Arbeiter und auch die Manager der deutschen Betriebe liegen in ihrer Einschätzung der Beweggründe für die Reformbereitschaft des Apartheidregimes nicht auseinander, wie ein Treffen mit Unternehmern in der deutsch -südafrikanischen Handelskammer zeigt. Kammerpräsident Werner Rhaese, Direktor der Mannesmann-Demag-Niederlassung, sagte klar: „Der Boykott hat der Industrie hier sehr weh getan. Das Land ist zurückgefallen auf einen Stand wie in der dritten Welt.“ Ein Siemens-Manager, gebürtiger Südafrikaner, macht am eigenen Beispiel deutlich, wie sich der Boykott auswirkte. Trotz der üblichen Gehaltssteigerungen sei sein Lebensstandard in der Zeit der Wirtschaftssanktionen um 20 Prozent gefallen, berichtet er im privaten Gespräch.
Der Reformprozeß erfolge ausschließlich aus ökonomischen Gründen, sind sich beim Treffen in der Kammer die Manager einig. Die Zahlungsbilanzprobleme allein hätten Südafrika schon zum Kurswechsel gezwungen, sagte der Repräsentant der Deutschen Bank, Siegfried Brunnenmiller. Was das Land benötige, nach dem wirtschaftlichen Rückgang aufgrund der Sanktionen den Schuldendienst zu befriedigen, das fehle dringend für das Ankurbeln der Binnenkonjunktur.
Solche Überlegungen mögen die Einschätzung der meisten Manager mitbestimmen, wenn sie, wie Siemensvorstand Reinhard Sannen, sagen: „Es gibt Anzeichen, daß die Vernunft langsam anfängt durchzuschlagen.“ Den Reformprozeß - auch in Südafrika taucht in der Diskussion der Begriff Perestroika auf - halten sie für unumkehrbar.
Hier unterscheiden sich Unternehmensvertreter und die meistens zur schwarzen Mehrheit zählenden Arbeiter deutlich. Ein Betriebsrat vom BMW etwa befürchtet: „Wenn de Klerk durch seine Reformankündigungen schafft, den Boykott aufzuheben, dann schiebt er die Probleme wieder auf die lange Bank.“ Leon van der Merwe, kaufmännischer Leiter eines Siemens-Kabelwerks in der nähe Pretorias, sagt dazu: „Das größte Problem Südafrikas ist der Vertrauensbruch zwischen den Bevölkerungsgruppen. Es ist unsere Aufgabe, da etwas zu machen.“
Zugleich weiß er, daß das angesichts der Unterdrückung durch die Apartheid nur schwer möglich sein wird.
Hartmut Hesse
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen