: Ein Viereck mit Anna Magnani
■ 40 Jahre Filmfestspiele: In der Berlinale-Geburtstags-Serie läuft am Sonntag George Cukors „Wild is the Wind“ mit Anna Magnani, unter der Rubrik 'Berlinale der Stars‘. 1958 war er im Wettbewerb zu sehen.
Der morgige Tag der Rückschau auf vier Jahrzehnte Berlinale steht ganz im Zeichen der Stars. Es ist eine Rückschau in die Anfangszeit des Festivals, jene Jahre vor dem Siegeszug des Autorenfilms, als es noch möglich war, daß Shirley MacLaine und James Stewart für ihre Darstellungen in harmlosen Komödien preisgekrönt wurden. (Kein Anlaß indessen, wehmütig zurückzublicken, hofiert doch das Festival seit einigen Jahren wieder die großen Stars und orientieren sich auch die Jurys wieder an diesem Trend.) Anna Magnani bedeutete dem Kino beides: sie war zugleich Muse des europäischen Autorenfilms und international berühmter Leinwandstar. In den frühen Filmen Rosselinis und Viscontis bestach sie noch durch Authentizität. Später entdeckte Hollywood ihre Starqualitäten. Zwar mußte der Realismus ihres Stils nach den Regeln der Filmmetropole reichlich exotisch wirken, und ihr unkonventionelles Aussehen ließ sich nicht so mühelos fetischisieren wie das der glatteren Stars der konservativen 50er Jahre. Aber eine Schauspielerin, die einen Film tragen konnte, war sie allemal.
In Wild is the Wind war sie besser den je in ihrer kurzen Hollywoodkarriere, in deren Verlauf die Studiochefs sie hauptsächlich auf schwerblütige Tennessee-Williams -Verfilmungen abonnierten. Magnani steht im Mittelpunkt einer Dreiecks- (eigentlich: Vierecks)geschichte, die im Milieu italienischer Emigranten spielt. Der reiche verwitwete Schafzüchter Anthony Quinn läßt die Schwester seiner ersten Frau aus der Heimat kommen, um sie in der Neuen Welt zu heiraten. Diese bemerkt sehr bald, daß ihr Ehemann in ihr nur die Erinnerung an die Schwester sucht und quittiert dies, in dem sie eine Affäre mit dem Stiefsohn (Anthony Franciosa) anzettelt.
In Vistavision und rauhem Schwarzweiß hat George Cukor 1957 dieses Melodram als Selbstfindungs- und Befreiungsgeste seiner Heldin inszeniert. Anna Magnani durchspielt mit Brio ihre gesamte Palette: die heftigen Gefühlsausbrüche, die großen Gesten, die Natürlichkeit ihres Körperspiels und ihrer Dialoginterpretation. Unter Cukors sanfter Schauspielerführung findet sie freilich auch zu subtilen Ausdrucksmomenten, denn dem Regisseur geht es, wie immer, um die Persönlichkeit der Schauspielerin und nicht um deren Manierismen.
Gerhard Midding
George Cukor: Wild is the wind, mit Magnani und Quinn, USA 1958, 114 Min.
11.2. Cinema Paris, 13.00
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen