Beim Schulessen fängt's an

■ Ost-Berlin: Demonstration gegen Sozialabbau und Subventionskürzungen im Schulbereich / Hort-Erzieherinnen bangen um ihre Arbeitsplätze

„Kein Schulessen, kein Hort - gute Nacht, Herr Abend“, skandierte die Menge, aufgerufen von einer Arbeitsgruppe „Schulhort“, am vergangenen Freitag abend vor dem Gebäude des Ministeriums für Bildung und Erziehung beim Brandenburger Tor. Für die vorbeischlendernden Polittouristen sicherlich etwas unverständliche Parolen, zählten doch Schulessen und staatliche Kinderbetreuung zu den Flaggschiffen des SED-Sozialstaates. Auch wenn man über die doktrinär-politische Ausrichtung eines solchen Sozialkonzepts völlig anderer Meinung sein konnte, so stellt es dennoch für die Masse der werktätigen Frauen der DDR (90Prozent) eine Notwendigkeit dar.

Doch die neuen politischen Verhältnisse bringen nicht nur ideologische Wandlungen, sondern lassen Änderungen im gesamten Sozialwesen der DDR erwarten. In dieser Weise äußerte sich auch der stellvertretende Bildungsminister Volker Abend (DDR-CDU) während einer Beratung über eine neue Bildungskonzeption und machte deutlich, daß vom zukünftigen Subventionsabbau auch Schulessen und Hort betroffen sein könnten. Dies hieße, nach Staatsbürgerkunde- und Russischlehrern müßten auch Horterzieherinnen (einer reiner Frauenberuf) um ihre Existenz fürchten.

Warnstreiks in Gera, Flugblattaktionen, empörte Anrufe im Ministerium und als Kulminationspunkt die Ostberliner Demo am Freitag waren die Folge. Die Empörung entlud sich auf Minister Abend, der dann auch die Konsequenzen zog und dem derzeitigen DDR-Trend folgte: Rücktritt. Farbe bekennen müssen jetzt alle Parteien und Gruppierungen, denn so Abend in der Ostberliner 'BZ am Abend‘ vom 9.Februar wörtlich: „Ich empfehle jedem Bürger, die Programme der einzelnen Parteien hinsichtlich solcher sozialen Errungenschaften zu prüfen.“ Auf Anfrage von 'adn‘ teilte dann auch der bislang etwas farblose Bildungsminister Emons mit, daß er nicht daran denke, „die Schulspeisung abzuschaffen oder die Hortbetreuung der Kinder in Frage zu stellen“.

Petra Merkstein