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Rasend zur Einheit mit Gorbatschows „Ja“

■ Nach den Moskauer Gesprächen rechnet Kohl mit deutscher Einheit und gesamtdeutschen Wahlen noch in diesem Jahr / Erst ein gesamtdeutsches Parlament könne Polens Grenze garantieren

Moskau (dpa/ap/afp) - Dieses Jahr noch soll die deutsche Einheit Tatsache sein: Bis zum Herbst sollen konkrete Pläne auf einer Sechserkonferenz zwischen BRD, DDR und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs abgestimmt, auf der für Oktober/November geplanten KSZE-Konferenz abgesegnet werden. Gesamtdeutsche Wahlen am 2.Dezember seien dann zumindest nicht auszuschließen. So sehen wenigstens Kanzler Kohl und Außenminister Genscher den Fahrplan zur Einstaatlichkeit nach ihren Gesprächen am Samstag in Moskau. Kohl über den nächsten Schritt: „Wir werden eine neue Verfassung zu schaffen haben.“ Maßstab müsse das Grundgesetz sein.

Gorbatschow hat unmißverständlich seinen Segen gegeben: „Die Frage der Einheit der deutschen Nation“ müßten die Deutschen selbst entscheiden, stellte er in einer gemeinsamen Erklärung mit Kohl fest. Auch über Form, Zeitplan und Bedingungen ihrer staatlichen Einheit hätten die Deutschen zu bestimmen. Allerdings verwies Moskau darauf, daß die Lösung der deutschen Frage „nur im Kontext der gesamteuropäischen Entwicklung und unter Berücksichtigung der Sicherheit und Interessen“ der Nachbarn möglich sei.

In ungewöhnlich zarten Tönen geht die 'Tass'-Erklärung auf die Atmosphäre des Treffens in Moskau ein. „Die Begegnung verlief in einer Atmosphäre des bereits früher erzielten, tiefen gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens, sowohl in politischer als auch persönlicher Hinsicht.“

In der Frage der von der UdSSR geforderten Sicherheitsgarantien zur Erhaltung der Nachkriegsgrenzen brauchte der Kanzler sich nicht festzulegen. Diese, so Kohl, können erst von einer frei gewählten deutschen Regierung und einem frei gewählten Parlament gegeben werden. Die noch am Samstag von Außenminister Schewardnadse erhobene Forderung nach Garantien fehlte in dem offiziellen Text völlig. Gorbatschow wies nur darauf hin, daß sich die Deutschen „an die Realitäten des Lebens erinnern müssen: Es gab den Krieg, und der Krieg, ebenso wie die Nachkriegsperiode, haben ein Erbe hinterlassen.“

Bei einem anderen Themenbereich ist Kohl dagegen schon ins Detail gegangen: Lieferverpflichtungen der DDR gegenüber RGW -Staaten würden von einem vereinigten Deutschland selbstverständlich übernommen, hieß es aus der Umgebung des Kanzlers.

In ersten Reaktionen aus Ostberliner Regierungskreisen wird darauf hingewiesen, daß die Stellungnahme Gorbatschows zur Wiedervereinigung nicht beinhalte, daß die BRD die DDR vereinnahmen könne, wie es in Äußerungen einiger Bonner Politiker anklinge. Gorbatschow und DDR-Chef Modrow seien der Ansicht, ein wiedervereinigtes Deutschland könne nur neutral sein.

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