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SPD zieht mit sozialer Frage in den Kampf

Wahlparteitag der niedersächsischen SPD in Delmenhorst / SPD- Spitzenkandidat betont die soziale Dimension der „nationalen Frage“ / SPD-Chef Vogel: In Hannover soll Lafontaine offiziell zum Kanzlerkandidaten gekürt werden  ■  Aus Delmenhorst Jürgen Voges

Der Spitzenkandidat der niedersächsischen SPD, Gerhard Schröder, hat auf dem Wahlparteitag seiner Partei in Delmenhorst die Genossen dazu aufgerufen, mit einem Wahlsieg am 13.Mai in Niedersachsen das Jahr 1990 „zu einem Jahr der sozialen Demokratie“ zu machen. In das Zentrum der Wahlauseinandersetzung müsse die soziale Frage gerückt werden, sagte der Schröder, der im Mai zum zweiten Mal gegen Ernst Albrecht antritt. Bei allem Engagement für die „nationale Frage“ dürfe die SPD „die sozialen und ökologischen Probleme nicht aus den Augen verlieren“.

Die notwendige Hilfe für die DDR dürfe nicht durch weiteren massiven Sozialabbau finanziert werden. Schon jetzt führe die Übersiedlung von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik zur Konkurrenz mit den sozial Schwächsten auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt. Schröder plädierte für einen planvoll gestalteten Prozeß des Zusammenwachsens beider deutscher Staaten und vor allem dafür, die Abwanderung der Menschen aus der DDR zu stoppen. Wer von Ost nach West übersiedeln wolle, müsse sich zukünftig vorher um Arbeitsplatz und Wohnung bemühen.

Bei der Niedersachsenwahl gehe es um „die Mehrheit im Bundesrat und um eine Vorentscheidung für die künftige Bundespolitik“, erinnerte in Delmenhorst der SPD -Parteivorsitzende Hans-Jochen Vogel. Am Abend des 13.Mai müsse von Hannover die Botschaft ausgehen, „daß die Kohl -Zeit zu Ende geht“. Vogel kündigte an, daß die SPD auf einer Parteiratssitzung Ende März in Hannover Lafontaine zum Kanzlerkandidaten nominieren werde.

Bei der Diskussion des am Ende einstimmig verabschiedeten Wahlprogramms der Landes-SPD kam es in Delmenhorst zu einer Kontroverse über das in Salzigitter geplante Atommüll -Endlager „Schacht Konrad“. Den Delegierten war von der Antragskommission zunächst ein Votum für die Einlagerung radioaktiver Abfälle im „Schacht Konrad“ empfohlen worden, das an die Bedingungen „Ausstieg aus der Kernenergie“ und „direkte Endlagerung“ gebunden werden sollte. Schließlich blieb der Parteitag jedoch bei der Kompromißformel des Programmentwurfs, wonach die niedersächsische SPD zwar „die Endlagerung von atomarem Müll aus Kernkraftwerken und die Entsorgung stillgelegter Kernkraftwerke im 'Schacht Konrad‘ ablehnt“, aber die Einlagerung von „anderem, nicht wärmeentwickelnden Material“ noch prüfen lassen will. Schröder sagte anschließend, die SPD-geführten Bundesländer, die sich auf der Ministerpräsidentenkonferenz zur Entsorgung alle für das Atommüll-Endlager „Konrad“ ausgesprochen hatten, müsse man „noch zur Begeisterung über diesen Beschluß bringen“.

Im Saal der „Delmenburg“, in dem sich die Delegierten der Landes-SPD zum Parteitag versammelt hatten, war Spitzenkandidat Schröder gleich 54mal mit seinem Portrait präsent: Auf den Schröder-Plakaten hatten die Sozialdemokraten aus allen niedersächsischen Städten und Kreisen zu Beginn des Parteitages ihre jeweilige Für-Gerhard -Schröder-Parole anzubringen. Auf einem trug sich auch die Pressesprecherin des grünen Landesverbandes ein. „Gerd, wir geben Dir den Rest“, versprach sie unter Anspielung auf die gut 45 Prozent der Wählerstimmen, bei denen die niedersächsische SPD nach letzten Umfragen liegt.

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