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Rote Armee zieht ab

■ Moskau mit Prag über Truppenabbau einig / UdSSR bietet auch Polen Verhandlungen über Truppenabzug an

Warschau/Prag (dpa/taz) - Die Sowjetunion hat sich zum Abschluß der zweiten Verhandlungsrunde mit der Regierung der CSSR bereit erklärt, mit dem Abzug ihrer Truppen noch im Februar zu beginnen und ihn im Mai zu beenden.

Erstmals veröffentlichte die Presse der CSSR Zahlen zur sowjetischen Truppenstärke. Danach sind 75.000 sowjetische Soldaten stationiert, die über 1.200 Panzer, 2.500 Transportfahrzeuge, 146 Hubschrauber und 77 Flugzeuge gebieten.

Die CSSR-Regierung hatte auf einen so schnellen Termin des Abzugs gedrängt, weil sich - wie in Olmütz und jetzt auch in Prag - gegen die Okkupationstruppen gerichtete Demonstrationen häufen. Zum Unmut der Bevölkerung gegenüber den sowjetischen Truppen trägt das selbstherrliche Auftreten ihrer Kommandanten bei. So versuchte in Olmütz ein General vergeblich, den Rektor der Uni zu einem Demonstrationsverbot für Studenten zu bewegen, ein anderer erklärte anläßlich der Demonstration, die Bevölkerung ahne gar nicht, wie sehr sie des Schutzes der Sowjetarmee bedürfe. Solche Äußerungen schüren die Furcht, die letzten Tage der Breschnew-Doktrin seien noch nicht gezählt.

Auch gegenüber Polen hat die Sowjetunion jetzt ihre Bereitschaft erklärt, über den Abzug ihrer Truppen zu verhandeln. „Es besteht“, so war in polnischen Zeitungen am Montag unter Berufung auf sowjewtische Quellen zu lesen, „erstmals die Möglichkeit einer stufenweisen Änderung des bisherigen Sicherheitsmodells in Europa.“ Die Warschauer Abendzeitung 'Zycie Warszawy‘ zitierte den sowjetischen Standpunkt mit den Worten: „Falls die polnische Regierung den Wunsch nach Truppenabzug vortragen sollte, sei die Sowjetunion zu Verhandlungen bereit.

In den letzten Wochen hatte der Solidarnosc-Vorsitzende Walesa den völligen Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Polen verlangt und dies zur Vorbedingung zu einer wirklichen Aussöhnung zwischen den beiden Ländern gemacht. Hingegen hat sich die Regierung Mazowiecki mit derartigen Forderungen bisher deutlich zurückgehalten. Sie sieht die Stationierung sowjetischer Truppen im Zusammenhang mit dem raschen Einigungsprozeß zwischen den beiden deutschen Staaten und der Forderung nach einem kolektiven europäischen Sicherheitssystem.

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